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Hildebrecht Hommel
In weitem Umkreis wurde bis zum Ausgang der Antike der Achilleus-
kult an den ihm gewidmeten Stätten gepflegt, vom 2. Jh. n.Chr. an, wie
schon bemerkt, mit der Epiklese des <Pontarches>.33 Die Weihinschrif-
ten tragen in der Spätzeit zumeist den Zusatz χαριστήριον, bezeugen al-
so den Dank für erhaltene Wohltaten, sei es Rettung aus Seenot, glück-
liche Heimkehr, Sieg in einem der zu Ehren des Achilleus Pontarches
abgehaltenen Agone33a u. dgl. Besonders häufig sind Weihungen der Ar-
chonten und der Priester von Olbia, so daß man dort wohl von einer Art
Staatskult des Gottes reden kann, wie ich annehmen möchte. In diesen
zahlreichen Fällen gilt der Dank formelhaft υπέρ τής πόλεως εύσταθίας
(wörtlich <Wohlstand> - natürlich im weitesten Sinn), διαμονής (<Be-
stand>), ειρήνης, πολυκαρπίας, τής έαυτών ύγείας (<Gesundheit> der
weihenden Beamten oder Priester) u. dgl. Bei den Priestern erscheint
daneben häufig υπέρ εύποσίας, was man bisher im unmittelbaren Wort-
sinn nur auf die Trinkwasserversorgung gedeutet hat, was aber auch die
Bewässerung der Fluren mit eingeschlossen haben mag.34 All dies zeigt,
daß der Gott Achill im nördlichen Schwarzmeergebiet weit über eine
Sondergottheit hinausgewachsen war, was es erschwert, seiner ur-
sprünglichen Funktion auf die Spur zu kommen. Der Beiname <Pontar-
ches> hat dazu verführt, ihn als eine Meeresgottheit schlechthin zu cha-
rakterisieren,35 wobei man sich auf seine Abkunft von der Meergöttin
33 Zum Folgenden siehe die Einzelheiten bei Diehl RE 1 lff. Vgl. a. ob. Anm. 1.
33a(s. S. 45).
34 Beseitigung eintretenden Wassermangels ist von jeher der Vermittlung der Priester-
schaft einer Gottheit anheimgegeben; vgl. etwa Theopomp bei Antigonos von Kary-
stos, Hist, mirab. 15 (Jacoby, FGrH II 2 - 115,267 - S. 593 mit Kommentar S. 391)
über die auch auf thessalischen Münzen dargestellten Kesselwagen, die für Kulthand-
lungen zum Erbitten von Regen Verwendung fanden, und dazu O. Gruppe a.O. II 820
m. Anm. 1 u. 5 im Kapitel <Regenzauber>, sowie Fr. Stählin RE XI 1922, 1581. Prähi-
storische Parallelen bei Chr. Pescheck, Das Kultwagengrab von Acholshausen 1971,
S. 12f. u.ö. Vgl. a. die heute noch üblichen Wetterprozessionen. Anderwärts war die
Εύποσία sogar zum Rang einer Göttin erhoben (s. W. Judeich in·: Altertümer von
Hierapolis 1898, S. 26; weiteres bei Gruppe a.O. 1083 m. Anm. 7).
35 Andere Versuche, die ursprüngliche Domäne des göttlich verehrten Achilleus zu be-
stimmen, sind überholt und werden daher hier nicht des näheren erörtert (z.B. Was-
sergott, Lichtgott, Windgeist etc.; s. Escher RE I 1894, 221f., der sich selber für den
<Schlangengott> entscheidet, mit weiterer Literatur; vgl. a. O. Gruppe a.O. II 844f.:
Achill auf Leuke ein den Dioskuren vergleichbarer <Windgeist>, unter Hinweis auf Ar-
rian, Peripl. Ponti Eux. 34). Zahlreiche Vertreter hat bis heute eine andere These ge-
funden, die Μ. Rostowzew aufgestellt zu haben scheint (Isvestija Archeolog. Komissij
65. 1918, 181f. in einer Besprechung des Buches von I. Tolstoi [vgl. ob. Anm. 2]:
Nouveau Livre sur l’Ile Blanche; derselbe, Skythien und der Bosporus 1931, S. 4. Zu-
stimmend W. D. Blawatsky, Archaiceskij Bospor. In: Materialy i issledovanija po ar-
Hildebrecht Hommel
In weitem Umkreis wurde bis zum Ausgang der Antike der Achilleus-
kult an den ihm gewidmeten Stätten gepflegt, vom 2. Jh. n.Chr. an, wie
schon bemerkt, mit der Epiklese des <Pontarches>.33 Die Weihinschrif-
ten tragen in der Spätzeit zumeist den Zusatz χαριστήριον, bezeugen al-
so den Dank für erhaltene Wohltaten, sei es Rettung aus Seenot, glück-
liche Heimkehr, Sieg in einem der zu Ehren des Achilleus Pontarches
abgehaltenen Agone33a u. dgl. Besonders häufig sind Weihungen der Ar-
chonten und der Priester von Olbia, so daß man dort wohl von einer Art
Staatskult des Gottes reden kann, wie ich annehmen möchte. In diesen
zahlreichen Fällen gilt der Dank formelhaft υπέρ τής πόλεως εύσταθίας
(wörtlich <Wohlstand> - natürlich im weitesten Sinn), διαμονής (<Be-
stand>), ειρήνης, πολυκαρπίας, τής έαυτών ύγείας (<Gesundheit> der
weihenden Beamten oder Priester) u. dgl. Bei den Priestern erscheint
daneben häufig υπέρ εύποσίας, was man bisher im unmittelbaren Wort-
sinn nur auf die Trinkwasserversorgung gedeutet hat, was aber auch die
Bewässerung der Fluren mit eingeschlossen haben mag.34 All dies zeigt,
daß der Gott Achill im nördlichen Schwarzmeergebiet weit über eine
Sondergottheit hinausgewachsen war, was es erschwert, seiner ur-
sprünglichen Funktion auf die Spur zu kommen. Der Beiname <Pontar-
ches> hat dazu verführt, ihn als eine Meeresgottheit schlechthin zu cha-
rakterisieren,35 wobei man sich auf seine Abkunft von der Meergöttin
33 Zum Folgenden siehe die Einzelheiten bei Diehl RE 1 lff. Vgl. a. ob. Anm. 1.
33a(s. S. 45).
34 Beseitigung eintretenden Wassermangels ist von jeher der Vermittlung der Priester-
schaft einer Gottheit anheimgegeben; vgl. etwa Theopomp bei Antigonos von Kary-
stos, Hist, mirab. 15 (Jacoby, FGrH II 2 - 115,267 - S. 593 mit Kommentar S. 391)
über die auch auf thessalischen Münzen dargestellten Kesselwagen, die für Kulthand-
lungen zum Erbitten von Regen Verwendung fanden, und dazu O. Gruppe a.O. II 820
m. Anm. 1 u. 5 im Kapitel <Regenzauber>, sowie Fr. Stählin RE XI 1922, 1581. Prähi-
storische Parallelen bei Chr. Pescheck, Das Kultwagengrab von Acholshausen 1971,
S. 12f. u.ö. Vgl. a. die heute noch üblichen Wetterprozessionen. Anderwärts war die
Εύποσία sogar zum Rang einer Göttin erhoben (s. W. Judeich in·: Altertümer von
Hierapolis 1898, S. 26; weiteres bei Gruppe a.O. 1083 m. Anm. 7).
35 Andere Versuche, die ursprüngliche Domäne des göttlich verehrten Achilleus zu be-
stimmen, sind überholt und werden daher hier nicht des näheren erörtert (z.B. Was-
sergott, Lichtgott, Windgeist etc.; s. Escher RE I 1894, 221f., der sich selber für den
<Schlangengott> entscheidet, mit weiterer Literatur; vgl. a. O. Gruppe a.O. II 844f.:
Achill auf Leuke ein den Dioskuren vergleichbarer <Windgeist>, unter Hinweis auf Ar-
rian, Peripl. Ponti Eux. 34). Zahlreiche Vertreter hat bis heute eine andere These ge-
funden, die Μ. Rostowzew aufgestellt zu haben scheint (Isvestija Archeolog. Komissij
65. 1918, 181f. in einer Besprechung des Buches von I. Tolstoi [vgl. ob. Anm. 2]:
Nouveau Livre sur l’Ile Blanche; derselbe, Skythien und der Bosporus 1931, S. 4. Zu-
stimmend W. D. Blawatsky, Archaiceskij Bospor. In: Materialy i issledovanija po ar-