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Hommel, Hildebrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1980, 1. Abhandlung): Der Gott Achilleus: vorgetr. am 5. Mai 1979 — Heidelberg: Winter, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.45478#0035
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Der Gott Achilleus

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Für Achill als alten Totengott61 haben wir ein bisher nicht erkanntes
eindeutiges Zeugnis in der Odyssee, das freilich, wie zu erwarten, dem
gewandelten Jenseitsglauben entsprechend, den Herrn der Toteninsel
im fernen Meer nunmehr als Gebieter im Reich der Schatten erscheinen
läßt. Dort begegnet die Psyche des toten Achilleus dem Besucher Odys-
seus bei dessen Hadesfahrt (<Nekyia> Od. 11, 467ff.). Im Lauf des Ge-
sprächs preist ihn Odysseus glücklicher als alle vor und nach ihm (man
beachte die Wortwahl v. 483 μακάρτερος!); «denn», so sagt er, «du den
wir Argiver schon bei Lebzeiten Göttern gleich geachtet haben,
herrschst jetzt hier unten gewaltig über die Toten» (v. 484/6 ... νυν αύτε
μέγα κρατέεις νεκύεσσιν ένθάδ’ έών)62. Achill aber erwidert (488-91):
«red’ mir doch den Tod nicht weg, strahlender Odysseus; denn ich
möchte lieber als Knecht einem armen, kläglich sich fristenden Mann
dienen (seil. <oben im Licht>), als über alle hingeschiedenen Toten zu
herrschen» (v. 491 ή πασιν νεκύεσσι καταφθιμένοισιν άνάσσειν). Da
klingen im Wortlaut sowohl die μακάρων νήσοι von fern an (483) wie
die Göttlichkeit des Achilleus (484), vor allem aber wird er zweimal
(485 u. 491) eindeutig als Herrscher über die Gesamtheit der Toten be-
zeichnet. Wir deuten nur nebenbei an, was den Reiz und die Tiefe des
Gesprächs im Rahmen des Epos ausmacht, die Tragik des jetzt zum
Menschen gewordenen Gottes, der seinen alten Platz als Herrscher der
Toten wieder (αύτε?) einnimmt, von da sich jedoch um jeden Preis zu-
rücksehnt auf die Welt der Menschen.63 Das heißt, der Herrscher der
61 In diesem Zusammenhang scheint auch wichtig, daß der <Aiakide> Achilleus für den
Enkel des Zeussohnes Aiakos gehalten wurde, den man unter orphischem Einfluß als
Totenrichter im Hades angesiedelt hat, der aber nach H. Thiersch, Äginetische Stu-
dien I (Nachr. v. d. Ges. d. Wiss. zu Göttingen, Ph.-h. Kl. 1928, S. 135-166) S. 141
ursprünglich als Unterweltsherrscher zu gelten hat (zustimmend P. Von der Mühll,
Ausgew. kl. Schriften 1976, S. 45 349). Vgl. dazu auch Rohde, Psyche 2I 1898, S. 311,
Anm.
62 Ein poetischer Reflex dieser Homerstelle ist es, wenn Isolde Kurz in einer Leuke ge-
widmeten Dichtung (s. dazu unten Anm. 71) Helena zu Achilleus sagen läßt: «Pelide,
Erster einst der Sterblichen, Jetzt Erster bei den Schatten».
63 Dazu Dorothea Wender, The Last Scenes of the Odyssey 1978, S. 41ff. mit dem Ver-
such, Achill und Odysseus in diesem Zusammenhang als vom Dichter bewußt gestal-
tete Kontrastfiguren zu erklären. Vorwiegend sprachwissenschaftliche Erwägungen
bietet die Amsterdamer akademische Antrittsrede von C. J. Ruijgh, «Liever dagloner
op aarde ...... Leiden 1969. Ganz neuerdings hat H. Funke in einem tiefschürfen-
den Aufsatz <Honoratus Achilles? zu Horaz, A.P. 120> (Serta Philologica Aeniponta-
na III 1979, S. 17ff.) das Gespräch zwischen Odysseus und Achill im Reich der Toten
aus der <Nekyia> einer gründlichen Interpretation unterzogen. Aber da hier (verständ-
licherweise) der mythologische Aspekt noch fehlt, kommt es zu solchen Erklärungen
 
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