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Hildebrecht Hommel
deutet werden darf, wie es Wilamowitz einst vermutete, das hat mit
Recht lebhaften Widerspruch erfahren.77 78
Am ergiebigsten ist in unserem Zusammenhang die Betrachtung der
beiden Gestalten Polyxene und Iphigenie, deren Sagen, wenn auch miß-
verstanden oder umgedeutet, zahlreiche uralte Züge erhalten haben,
die uns aufhorchen lassen. Zunächst Polyxene™ Über sie hat Ernst
Wüst in einem Aufsatz AVer war'Polyxene?» Wesentliches ermittelt.79
Diese Tochter des Priamos soll nach der <Iliu Persis> des Arktinos von
Milet am Grabe des Achill geopfert worden sein: Πολυξένην σφαγιά-
ζσυσιν έπι τον τού Άχιλλέως τάφον, so heißt es kurz und knapp in Pro-
klos’ Chrestomathie (274, ed. A. Severyns 1963). Hier scheint also die
Opferung der Tochter des feindlichen Herrschers dem in vorhomerische
Zeit hineinragenden Brauch angepaßt, dem verstorbenen Helden zum
Weiterleben im Jenseits (unter Schonung der eigenen Partei) eine Ge-
fährtin mitzugeben, ähnlich wie vorher dem Freund des Achilleus, Pa-
troklos, zehn feindliche Trojanerjünglinge bei seinem Leichenbegräbnis
geschlachtet wurden, damit sie ihm drüben als Gefährten dienen soll-
ten.80 Andere Quellen wissen Ausführlicheres zu berichten, so vor al-
lem bei Euripides, der in der <Hekabe> und anderwärts noch mehrfach
von dem gleichen Opfer der Polyxene spricht.81 Daß der Dichter dabei
nach vernünftigen Erklärungen sucht, die den grausamen Brauch dem
Verständnis späterer Zeit tragbar erscheinen lassen sollen, tut nichts zur
Sache.82
Warum man gerade Polyxene ausgewählt hat, wird nicht begründet;
doch bei Seneca, Troerinnen 203. 370 ist rationalisierend angedeutet,
Achill habe sie schon bei Lebzeiten zur Gattin begehrt und erhalte jetzt
77 IViZaznotvziz, Griech. Tragödien III 171f. (aber nichts mehr davon im <Glauben der
Hellenen»!). Dagegen mit Entschiedenheit A. Lesky RE XV (1932) 49 (Art. <Me-
deia>).
78 Bezeichnend für die Forschungslage vor E. Wüst sind etwa Ausführungen von E. Pat-
zig, Byz. Zeitschr. 25. 1925, S. Iff. (bes. 5ff. 12f), der von einem «Polyxenaroman»
spricht, den er für jung hält.
79 Ernst Wüst im »Gymnasium» 56. 1949, S. 205-213. Vgl. desselben Artikel <Polyxena>
in der RE XXI (1952), 1840ff„ bes. 1844.
80 Homer, Ilias 23, 175, dazu E. Samter, Volkskunde im altsprachlichen Unterricht. 1.
Homer 1923, S. 154f. Dort auch zu Polyxene. Beide Sagen vergleicht auch J. Grifftn,
Joum. of Hellenic Studies 97. 1977, S. 45, sucht sie jedoch ganz rationalistisch zu er-
klären.
81 Euripides, Hek. 40ff. 94f. 195f. etc. Tro. 260ff.; vgl. Seneca, Tr. 361ff.
82 Im Fall der Trojanerjünglinge als Racheakt, in dem der Polyxene als Opfer zur Erzie-
lung günstigen Winds; s. Samter a.O.
Hildebrecht Hommel
deutet werden darf, wie es Wilamowitz einst vermutete, das hat mit
Recht lebhaften Widerspruch erfahren.77 78
Am ergiebigsten ist in unserem Zusammenhang die Betrachtung der
beiden Gestalten Polyxene und Iphigenie, deren Sagen, wenn auch miß-
verstanden oder umgedeutet, zahlreiche uralte Züge erhalten haben,
die uns aufhorchen lassen. Zunächst Polyxene™ Über sie hat Ernst
Wüst in einem Aufsatz AVer war'Polyxene?» Wesentliches ermittelt.79
Diese Tochter des Priamos soll nach der <Iliu Persis> des Arktinos von
Milet am Grabe des Achill geopfert worden sein: Πολυξένην σφαγιά-
ζσυσιν έπι τον τού Άχιλλέως τάφον, so heißt es kurz und knapp in Pro-
klos’ Chrestomathie (274, ed. A. Severyns 1963). Hier scheint also die
Opferung der Tochter des feindlichen Herrschers dem in vorhomerische
Zeit hineinragenden Brauch angepaßt, dem verstorbenen Helden zum
Weiterleben im Jenseits (unter Schonung der eigenen Partei) eine Ge-
fährtin mitzugeben, ähnlich wie vorher dem Freund des Achilleus, Pa-
troklos, zehn feindliche Trojanerjünglinge bei seinem Leichenbegräbnis
geschlachtet wurden, damit sie ihm drüben als Gefährten dienen soll-
ten.80 Andere Quellen wissen Ausführlicheres zu berichten, so vor al-
lem bei Euripides, der in der <Hekabe> und anderwärts noch mehrfach
von dem gleichen Opfer der Polyxene spricht.81 Daß der Dichter dabei
nach vernünftigen Erklärungen sucht, die den grausamen Brauch dem
Verständnis späterer Zeit tragbar erscheinen lassen sollen, tut nichts zur
Sache.82
Warum man gerade Polyxene ausgewählt hat, wird nicht begründet;
doch bei Seneca, Troerinnen 203. 370 ist rationalisierend angedeutet,
Achill habe sie schon bei Lebzeiten zur Gattin begehrt und erhalte jetzt
77 IViZaznotvziz, Griech. Tragödien III 171f. (aber nichts mehr davon im <Glauben der
Hellenen»!). Dagegen mit Entschiedenheit A. Lesky RE XV (1932) 49 (Art. <Me-
deia>).
78 Bezeichnend für die Forschungslage vor E. Wüst sind etwa Ausführungen von E. Pat-
zig, Byz. Zeitschr. 25. 1925, S. Iff. (bes. 5ff. 12f), der von einem «Polyxenaroman»
spricht, den er für jung hält.
79 Ernst Wüst im »Gymnasium» 56. 1949, S. 205-213. Vgl. desselben Artikel <Polyxena>
in der RE XXI (1952), 1840ff„ bes. 1844.
80 Homer, Ilias 23, 175, dazu E. Samter, Volkskunde im altsprachlichen Unterricht. 1.
Homer 1923, S. 154f. Dort auch zu Polyxene. Beide Sagen vergleicht auch J. Grifftn,
Joum. of Hellenic Studies 97. 1977, S. 45, sucht sie jedoch ganz rationalistisch zu er-
klären.
81 Euripides, Hek. 40ff. 94f. 195f. etc. Tro. 260ff.; vgl. Seneca, Tr. 361ff.
82 Im Fall der Trojanerjünglinge als Racheakt, in dem der Polyxene als Opfer zur Erzie-
lung günstigen Winds; s. Samter a.O.