Der Gott Achilleus
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nach seinem Tode diesen Wunsch erfüllt.83 In den gleichen Zusammen-
hang wird auch die Troilossage gern gestellt, wo Achill in der Rolle des
eifersüchtigen Liebhabers der Polyxene auftritt, den Nebenbuhler tötet
und die Geliebte verfolgt.84 Ernst Wüst erklärt sich, um dem letzten
Sinn des Mythos auf die Spur zu kommen, die Sache auf höchst kompli-
zierte Weise, wobei Apollon ins Spiel kommt, der nach der ältesten
Version der Sage den Achill getötet hat, und wo ebenso das Geschehen
umTroilos bemüht wird. Da hiermit sicher ein falscher Weg beschritten
ist, können wir diese Hypothesen auf sich beruhen lassen.85 Aber mit ei-
ner fundamentalen Feststellung kommt Wüst dem Richtigen ganz nahe,
und hieran knüpfen wir an. Er erklärt nämlich das Wesen der Polyxene
aus ihrem redenden Namen86 im Vergleich mit zahlreichen Epitheta des
Totengottes Hades wie δεξίλεος, λαοδόκος, νεκροδέγμων, πολυδέγμων
etc.; (er hätte gerade auch πολύξενος hinzufügen können) ;87 Wüst schließt
daraus auf Πολυξένη als die euphemistisch <Vielgastliche> genannte, de-
ren Beruf es ist, die Toten in den Hades aufzunehmen, so daß sie als
Herrin der Toten zugleich auch als Gattin des πολυδέγμων (oder πολύ-
ξενος) genannten Fürsten der Unterwelt charakterisiert wird.
83 Wüst a.O. 207 mit dem Hinweis auf Quellen aus früherer Zeit, die bereits das gleiche
Motiv bemühen. Die Liebesgeschichte von Achill und Polyxene wird am ausführlich-
sten in dem mindestens auf neronische Zeit zurückgehenden Roman des Diktys von
Kreta berichtet, dessen lateinische Fassung aus dem 4. Jh. erhalten ist (Ausgabe von
W. Eisenhut 1958). Daraus hat Goethe den Entwurf zu seinem Homeridenepos
<Achilleis> geschöpft, wo er jene Episode, die mit Achills Ermordung unmittelbar vor
der geplanten Hochzeit endet, in den Mittelpunkt stellt. Ausgeführt hat er 1799 nur
den größeren Teil des ersten von vermutlich acht Gesängen; jedoch läßt sich aus sei-
nen Entwürfen und Schemata die Handlung des ganzen Gedichts mit einiger Sicher-
heit herstellen, eine Aufgabe, der sich zuletzt W. Schadewaldt mit Scharfsinn und gro-
ßer Einfühlungsgabe unterzogen hat: Goethes Achilleis. Rekonstruktion der Dich-
tung. In: W. Sch. Goethestudien ... 1963, S. 301-395 u. 495^498 (auf die wichtigsten
Stellen aus dem Roman des Dictys Cretensis ist S. 496, Anm. 12 und 13 verwiesen).
— Zu der Sache allgemein vgl. C. Robert, Die griechische Heldensage, S. 1189ff. (zu
Diktys 1191f.).
84 Wüst 207ff.
85 Zweifel meldet auch an Fr. Jouan, Euripide et les legendes des chants Cypriens ...
1966, S.3711.
86 Die von Wüst 211 (vgl. RE XXI 1844) aufgewiesenen Sagenzüge, wonach eine tod-
bringende Polyxene mit den Erinyen in naher Verbindung steht, weisen in die gleiche
Richtung.
87 Daß er es nicht getan hat, befremdet umso mehr, als er im RE-Art. <Polyxenos I> (Bd.
XXI Sp. 185If.) die Belege für diese «Epiklesis des Hades-Pluton» sorgfältig sam-
melt. Vgl. a. die nächste Anm.
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nach seinem Tode diesen Wunsch erfüllt.83 In den gleichen Zusammen-
hang wird auch die Troilossage gern gestellt, wo Achill in der Rolle des
eifersüchtigen Liebhabers der Polyxene auftritt, den Nebenbuhler tötet
und die Geliebte verfolgt.84 Ernst Wüst erklärt sich, um dem letzten
Sinn des Mythos auf die Spur zu kommen, die Sache auf höchst kompli-
zierte Weise, wobei Apollon ins Spiel kommt, der nach der ältesten
Version der Sage den Achill getötet hat, und wo ebenso das Geschehen
umTroilos bemüht wird. Da hiermit sicher ein falscher Weg beschritten
ist, können wir diese Hypothesen auf sich beruhen lassen.85 Aber mit ei-
ner fundamentalen Feststellung kommt Wüst dem Richtigen ganz nahe,
und hieran knüpfen wir an. Er erklärt nämlich das Wesen der Polyxene
aus ihrem redenden Namen86 im Vergleich mit zahlreichen Epitheta des
Totengottes Hades wie δεξίλεος, λαοδόκος, νεκροδέγμων, πολυδέγμων
etc.; (er hätte gerade auch πολύξενος hinzufügen können) ;87 Wüst schließt
daraus auf Πολυξένη als die euphemistisch <Vielgastliche> genannte, de-
ren Beruf es ist, die Toten in den Hades aufzunehmen, so daß sie als
Herrin der Toten zugleich auch als Gattin des πολυδέγμων (oder πολύ-
ξενος) genannten Fürsten der Unterwelt charakterisiert wird.
83 Wüst a.O. 207 mit dem Hinweis auf Quellen aus früherer Zeit, die bereits das gleiche
Motiv bemühen. Die Liebesgeschichte von Achill und Polyxene wird am ausführlich-
sten in dem mindestens auf neronische Zeit zurückgehenden Roman des Diktys von
Kreta berichtet, dessen lateinische Fassung aus dem 4. Jh. erhalten ist (Ausgabe von
W. Eisenhut 1958). Daraus hat Goethe den Entwurf zu seinem Homeridenepos
<Achilleis> geschöpft, wo er jene Episode, die mit Achills Ermordung unmittelbar vor
der geplanten Hochzeit endet, in den Mittelpunkt stellt. Ausgeführt hat er 1799 nur
den größeren Teil des ersten von vermutlich acht Gesängen; jedoch läßt sich aus sei-
nen Entwürfen und Schemata die Handlung des ganzen Gedichts mit einiger Sicher-
heit herstellen, eine Aufgabe, der sich zuletzt W. Schadewaldt mit Scharfsinn und gro-
ßer Einfühlungsgabe unterzogen hat: Goethes Achilleis. Rekonstruktion der Dich-
tung. In: W. Sch. Goethestudien ... 1963, S. 301-395 u. 495^498 (auf die wichtigsten
Stellen aus dem Roman des Dictys Cretensis ist S. 496, Anm. 12 und 13 verwiesen).
— Zu der Sache allgemein vgl. C. Robert, Die griechische Heldensage, S. 1189ff. (zu
Diktys 1191f.).
84 Wüst 207ff.
85 Zweifel meldet auch an Fr. Jouan, Euripide et les legendes des chants Cypriens ...
1966, S.3711.
86 Die von Wüst 211 (vgl. RE XXI 1844) aufgewiesenen Sagenzüge, wonach eine tod-
bringende Polyxene mit den Erinyen in naher Verbindung steht, weisen in die gleiche
Richtung.
87 Daß er es nicht getan hat, befremdet umso mehr, als er im RE-Art. <Polyxenos I> (Bd.
XXI Sp. 185If.) die Belege für diese «Epiklesis des Hades-Pluton» sorgfältig sam-
melt. Vgl. a. die nächste Anm.