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Hommel, Hildebrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1980, 1. Abhandlung): Der Gott Achilleus: vorgetr. am 5. Mai 1979 — Heidelberg: Winter, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.45478#0052
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Hildebrecht Hommel

tieren dürfen,125 so spricht doch nichts dagegen anzunehmen, daß diese
lyrischen Anapäste wirklich bei thessalischen Begehungen des Achil-
leusgrabs gesungen wurden, und daß der Inhalt der Verse in echter alter
Kulttradition steht.
Das etwas gekünstelte Lied ist ein Zeugnis jener Spaltung der Achil-
leusgestalt in Heros und Gott, mit der man sich seit Homer abzufinden
und je auf seine Weise auseinanderzusetzen hatte.126 Das früheste Bei-
spiel dafür ist ja bereits der dem Ende des 7. vorchristlichen Jahrhun-
derts entstammende Achilleushymnos des Alkaios, falls wir aus dem
einzigen erhaltenen (Anfangs-)Vers die richtigen Schlüsse gezogen ha-
ben.127 Ein weiteres Beispiel, wohl der Zeit des 372. vorchristlichen
Jahrhunderts angehörend, ist ein Epigramm des pseudo-aristotelischen
Peplos,128 dessen vielleicht noch jüngere Überschrift die gleiche Situa-
Grieche zu dem Grabhügel mit der Erklärung gegangen sei, sein [des Achilleus] un-
sterblicher Teil sei anderswo». Hier muß jedoch neben anderen Zeugnissen an eines
der Gedichte erinnert werden, das die Athener den bei der Belagerung von Potidaia
Gefallenen i.J. 432 aufs Grabmal gesetzt haben (IG 2I 945, 6f., dazu W. Peek, Griech.
Grabgedichte 1960, S. 23f. mit poetischer Übersetzung - vgl. a. S. 328 —; Text und
Prosaübersetzung S. 59, Nr. 12):
αιθήρ μέν ψυχάς ύίεδέξατο, σώ[ματα δέ χθων] τώνδε, wozu schon J. Geffcken, Grie-
chische Epigramme 1916, Nr. 87, S. 31 gut zwei Euripidesstellen vergleicht: Hiket.
1140ff. - dazu auch noch v. 532ff., Peek S. 295 - und fr. 839, 9ff. (aus dem <Chrys-
ippos> — übrigens auch lyrische Anapäste wie beim Thetishymnos). Noch weiter als
Radermacher geht E. Bethe (Fr. Huhn und E. Bethe, Philostrats Heroikos und Diktys.
In: Hermes 52. 1917, S. 613ff., hier S. 620f.), indem er den thessalischen Achilleus-
kult überhaupt und auch den Thetishymnos — «ein Kirchenlied für die Theoren» — als
Erfindung des Philostratos erklärt, ausgedacht zum Wohlgefallen Caracallas und
«vermutlich in der Absicht, einen derartigen Achilleskult anzuregen».
126 Man darf also nicht fragen, wieso Achill in Sigeion begraben sein kann, wenn sein
Leichnam doch nach Leuke entrückt sei (so etwa U. Hölscher, Gnomon 27. 1955, S.
396 gegenüber den Versuchen von Pestalozzi und Schadewaldt, die Handlung der
Memnonis in entsprechender Weise zu rekonstruieren; selbst Schadewaldt — das Zitat
s. bei Hölscher — hilft sich damit, daß er an eine Entrückung des «Eidolon» Achills
denkt!). Vielmehr sind die entsprechenden Überlieferungen nichts anderes als Konta-
minationsversuche gegenüber älteren und jüngeren Schichten des Mythos, wobei an
die Stelle des Glaubens an einen alten Totengott Achilleus auf der <Insel der Seligem
rationalisierend im Epos die <Entrückung> Achills getreten war, während seine Bestat-
tung unweit von Troia ohnehin der allerjüngsten, <homerischen> Schicht der Überlie-
ferung angehört.
127 Siehe oben S. 9ff.
128 Nr. 4 bei Emst Diehl, Anthologia Lyrica Graeca 2II 6 (1940), S. 2. Den oben erwähn-
ten Thetis-Hymnos sucht man bei Diehl leider vergeblich (er hätte etwa 2II 6, S. 204ff.
neben den Ανωνύμου ανάπαιστοι seinen Platz finden können). Zur Datierung des
 
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