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Beierwaltes, Werner; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1980, 11. Abhandlung): Marsilio Ficinos Theorie des Schoenen im Kontext des Platonismus: vorgetragen am 28. Juni 1980 — Heidelberg: Winter, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.45488#0009
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La beaute est l’amour que nous vouons
ä un objet, abstraction faite de toute idee
d’utilisation ä notre profit, amour inspire
par un aspect qui satisfait en meme temps
nos Organes visuels et notre intelligence,
parce qu’il realise l’arrangement que nous
souhaitons pour notre plus grand bonheur:
l’harmonie.
(Paul Serusier, ABC de la Peinture, 1921)
Es ist zu einem - allerdings nicht ganz fraglosen - Usus geworden,
von einer „Ästhetik der Antike“, einer „mittelalterlichen Ästhetik“
oder einer „Ästhetik der Renaissance“ zu sprechen, die jeweils spe-
zifisch das Phänomen der Kunst und des Künstlers betreffen sollen.
Ein derartiger Usus scheint nicht hinreichend zu bedenken, daß
Ästhetik als eine eigene Disziplin der Philosophie, deren Zentrum die
Reflexion auf die Schönen Künste und deren Bedingungen ist, erst
um die Mitte des 18. Jahrhunderts durch Alexander Gottlieb Baum-
garten begründet und entfaltet wurde. Verdeckt wird dadurch auch die
Tatsache, daß sich Kunst als genuin ästhetisches Phänomen relativ
spät - eben im 18. Jahrhundert1 - aus dem System der ‘artes libe-
rales’ emanzipierte und sich in die „Schönen Künste“ vereinzelte.
Was zu dieser Erweiterung des Begriffes Ästhetik geführt hat, war
die Überzeugung, daß das Schöne als Prinzip von Kunst in irgend-
einer Form quer durch die Epochen bis zur Anti-Kunst hin mit der
Reflexion auf Kunst wesenhaft verbunden sei, „Ästhetik“ also primär
als eine „Theorie des Schönen“ verstanden werden müsse. Auch so
kann bisweilen unaufgeklärt bleiben, daß das Schöne in Antike, Mittel-
alter und Renaissance, in einem universalen Sinne genommen, gerade
nicht auf ästhetische Phänomene zu restringieren ist und daß die
ästhetische „Seite“ des Schönen oft nur als ein Akzidenz erscheint.
Freilich wäre es ebenso irreführend, sich auf einen grundsätzlich nicht-
ästhetischen Charakter des Schönen für das nicht-neuzeitliche Denken
zu versteifen. Legitim aber oder gar notwendig scheint es mir zu sein,

' P. O. Kristeller hat dies eindringlich gezeigt in: The modern System of the arts,
Renaissance Thought, New York 1965, II 163-227, bes. 165; 188; 224.
 
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