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Beierwaltes, Werner; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1980, 11. Abhandlung): Marsilio Ficinos Theorie des Schoenen im Kontext des Platonismus: vorgetragen am 28. Juni 1980 — Heidelberg: Winter, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.45488#0011
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Marsilio Ficinos Theorie des Schönen im Kontext des Platonismus

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dings nicht nur im Sinne einer Exegese des platonischen Textes, die
den fremden Gedanken als solchen lediglich darstellte, Ficino macht
ihn vielmehr in der Rezeption zu seinem eigenen: das Zusammen-
gehören von Eros und Schönheit ist für Ficinos Denken - vielfach
bezeugbar - konstitutiv und ist zugleich ein bestimmender Grundzug
der Zeit: Poesie, bildende Kunst und Lebensform überhaupt sind von
ihm entscheidend geprägt2.
Die Renaissance kann auch (und gerade) von dem Gedanken der
Einheit von Eros und Schönheit her als eine eigentümliche Trans-
formation griechischen Denkens gelten. Daher erscheint es nicht als
eine bloß antiquarisch interessante Reminiszenz, wenn ich nun den
Horizont der genannten Fragestellung zunächst so abstecke, wie er sich
im Denken Platons und Plotins zeigt. Dieses nämlich ist die ge-
schichtliche und sachliche Voraussetzung für Ficinos Konzeption, in
der sich Platon und Plotin zu einem einheitlichen Grundgedanken
erneuern. Die Rezeption Platons und Plotins durch Ficino kann
schwerlich auf einen unengagierten, beliebigen Eklektizismus einge-
engt verstanden oder als „literarische Versandung“ des Ursprünglichen
ab qualifiziert werden. Aristotelische und thomasische Grundge-
danken, aber auch Elemente augustinischen Denkens sind mit den
platonischen und neuplatonischen eng verwoben zu einem differen-
zierten Ausdruck eines neuen Lebensgefühls geworden. Für Ficino
war es auch ohne Frage klar, daß philosophisches Denken ein Moment
des theologischen sei und daher 'religio’ in einer 'pia philosophia’
mit Philosophie kompatibel zu denken sei. Insofern ist der Platonis-
mus der Renaissance zwar eine Renaissance des Platonismus - eines
Platonismus aber, der zumindest der Intention nach von Grund auf
und in seinem Ziel christlich sein will. Diese Problematik kann hier
nicht in extenso dargestellt werden; am Paradigma des Schönen soll
aber deutlich werden, daß Platons und Plotins Reflexion auf dieses
Phänomen für Ficinos Theorie des Schönen bestimmend geworden
ist und daß diese sich in einer produktiven und weitreichenden Form
in Ficinos Gesamtkonzeption fügt.
Die allgemeine Voraussetzung der Theorie des Schönen ist schon
angedeutet worden: der Begriff „Schönheit“ oder das Schöne hat im
2 Zur Wirkungsgeschichte dieses für Ficino zentralen Gedankens vgl. J. Ch. Nelson,
Renaissance Theory of Love, New York 1958. A. J. Festugiere, La Philosophie
de l’amour de Marsile Ficin et son influence sur la litterature frangaise au XVT
siede, Paris 19412.
 
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