Metadaten

Beierwaltes, Werner; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1980, 11. Abhandlung): Marsilio Ficinos Theorie des Schoenen im Kontext des Platonismus: vorgetragen am 28. Juni 1980 — Heidelberg: Winter, 1980

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.45488#0022
Lizenz: In Copyright
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
20

Werner Beierwaltes

tik“ hin immer bewußt zu halten ist. Freilich muß es vom Grund-
prinzip plotinischen Denkens her als ein legitimer Einwand gegen eine
Bestimmung des Schönen als des Symmetrischen erscheinen, daß es
unter dieser Voraussetzung ja nur Schönes als „Zusammengesetztes“
geben könne, das Einfache oder Eine aber könne als das in sich re-
lationslose Nicht-Viele nicht als „schön“ gedacht werden. Dies träfe zu
für einen einfachen, sinnenfälligen Gegenstand, aber auch für das
Eine als das universale metaphysische Prinzip selbst. Plotin sucht dies
unter anderem von einer unleugbaren sinnlichen Erfahrung her zu
stützen: ein Gesicht z. B., das grundsätzlich symmetrisch ist, kann auf-
grund dieses allgemeinen Faktums nicht immer als schön empfunden
und bezeichnet werden. Auch für die Wissenschaften könne, so argu-
mentiert Plotin, Symmetrie nicht primärer Grund der „Schönheit“
sein: sofern 'symmetrisch’ ein Zusammenbestehen aus verschiedenen
Teilen oder Elementen unter dem Gesetz bestimmter Relation ist,
dann vermögen auch (in den Wissenschaften) bestimmte Sätze neben-
einander zu bestehen, die in sich nicht „schön“ (d. h. wahr, richtig,
sinnvoll) sein müssen. Auch werden zwei Sätze, die zweifellos zu-
einander stimmen, also in dem bewußten Sinne 'symmetrisch’ sind,
deshalb nicht als „schön“ gedacht werden können, weil sie zusam-
menbestehen können. (Beispiel: „Selbstbeherrschung ist Torheit“.
„Gerechtigkeit ist Einfältigkeit“: diese Sätze stimmen zwar inhaltlich
zueinander, sind aber aufgrund dieser Zusammenstimmung keines-
wegs schön.) Gerade von daher zeigt sich, daß Symmetrie in diesem
Kontext eher als rein formale Kategorie zu verstehen ist. Wenn das
Symmetrische im Sinne Plotins nicht von sich selbst her schön ist,
aber doch bisweilen als „schön“ benannt und gedacht werden kann,
dann muß das Symmetrische durch ein Anderes schön sein. „Schön“
ist daher nicht das Symmetrische als solches, es ist höchstens eine
zeitweilige, abgeleitete, bedingt-mögliche Erscheinungsform des
Schönen.
Was aber ist nun diejenige Wesenheit oder dasjenige Seiende,
welches das Symmetrische in seine Funktion nehmen kann? Daß es
nichts ist, was unmittelbar aus dem Bereich des Sinnenfälligen stammt
und in ihm seinen Grund hat, ist für Plotin von seinen platoni-
schen Denkvoraussetzungen her klar. Dasjenige, was die Seele beim
Anblick des Schönen gewissermaßen „anspricht“ oder sie „anzieht“,
so daß es zu einer Art „Anpassung“ an das Gesehene kommt, ist
offensichtlich (nach der alten Lehre, daß nur Ähnliches durch Ähn-
liches erkannt werde) ein dem Sein der Seele selbst Ähnliches, oder
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften