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Giovannini, Adalberto; Gottlieb, Gunther; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1980, 7. Abhandlung): Thukydides und die Anfaenge der athenischen Arche — Heidelberg: Winter, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.45484#0032
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30

Adalberto Giovannini - Gunther Gottlieb

(sc. den Platäern) freigestanden hätte, auf Grund dieses Bündnisses den
Athenern die Hilfe gegen andere Städte zu verweigern. Die Verpflichtun-
gen, dem Bündnis treu zu bleiben, Heeresfolge zu leisten und keinen
Krieg gegeneinander zu führen, diese Verpflichtungen, die den Verbün-
deten zum Verhängnis werden sollten, hatten diese schon übernommen,
als sie dem Hellenenbund beigetreten waren. Da dieser durch die Über-
tragung des Oberbefehls an die Athener nicht aufgelöst wurde, waren
die Verbündeten an diese Verpflichtungen nach wie vor gebunden. Eines
neuen Vertrags und eines neuen Eides bedurfte es dazu nicht.
Während die Athener den Verbündeten Nachlässigkeit im Krieg als
Vertragsbruch anlasteten, wurde den Athenern auf der anderen Seite
immer wieder vorgeworfen, daß sie die Hellenen ihrer Autonomie be-
raubt hätten90. Offenbar war die Unterwerfung von Bundesgenossen
ein Verstoß gegen das Bündnis, wie das Thukydides im Fall von Naxos
auch ausdrücklich betont91. Die Autonomie der Bundesgenossen muß
in irgendeiner Form garantiert gewesen sein92. Dabei ist es aber über-
flüssig, eine Autonomieklausel zu vermuten: denn die schon erwähnte
Verpflichtung der Mitglieder des Hellenenbundes, Kriege gegen andere
Hellenen zu unterlassen, beinhaltete automatisch die Zusage der Auto-
nomie für die Beteiligten. Die Unterwerfung von Naxos, wie später die
von Thasos und anderer Gemeinden, waren Kriege unter Hellenen und
verstießen daher gegen den Vertrag von 481. Athen war wohl als Hege-
mon befugt, die Naxier auch mit Gewalt zum Gehorsam zu bringen.
Die Unterwerfung von Naxos ging weit darüber hinaus und wurde mit
Recht als ein von den Athenern begangener Vertragsbruch angesehen.
Schwieriger ist die Abgrenzung der Befugnisse zwischen Hegemon
und Bundesrat, sowohl im Hellenenbund als auch im sog. Seebund93.

90 Vgl. etwa Thuk. I 144,2; III 10,3-4; VI 76,3-4.
91 I 98,4: πρώτη τε αυτή πόλις ξυμμαχίς παρά τό καθεστηκός έδουλώθη.
92 Der Ausdruck παρά τό καθεστηκός ist wohl nicht als „Verstoß gegen den
Brauch oder die Sitte“, sondern als Verletzung eines vereinbarten Rechtes der
Bündner zu verstehen. Siehe J. A. O. Larsen, Harv. St. 51 (1940) 191 Anm. 3
und P. R. Brunt, Historia 2 (1953/4) 152.
93 Es ist leider nicht möglich, die Zusammensetzung des Bundesrates des Hellenen-
bundes mit derjenigen des Synhedrion von Delos zu vergleichen: von der ersteren
wissen wir überhaupt nichts, von der letzteren nur, daß die Mitglieder ίσόψηφοι
waren (Thuk. III 11,3). Es läßt sich nicht ausmachen, ob im delischen Bund
und erst recht im Hellenenbund der Hegemon eine Stimme hatte wie die anderen
Verbündeten (so etwa G. Busolt-H. Swoboda, Gr. Staatskunde 1341; J. A. O.
Larsen, Harv. St. 51 [1940] 192-196. Μ. Chambers, CI. World 62 [1968/9] 247f.)
oder ob wir es mit einem bikameralen System zu tun haben in dem Sinne, daß
 
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