Thukydides und die Anfänge der athenischen Arche 35
setzen konnte114. Offenbar haben sie das Verhalten der Bundesgenossen
nicht als Vertragsbruch angesehen115. Für die Lakedaimonier waren die
bei der Flotte versammelten Hellenen befugt, im Namen aller Bundes-
genossen Entscheidungen zu treffen. Für die Übertragung der Hegemonie
an die Athener war anscheinend die Versammlung der Befehlshaber der
Flotte zuständig, d.h. der Hegemoniewechsel war in dieser Form im
Rahmen der bestehenden Verfassung des Hellenenbundes möglich1153.
V. Historischer Überblick
Wir müssen abschließend fragen, wie das attische Reich entstanden ist.
Kann die Ansicht, die Athener hätten 478/7 eine neue Bundesgenossen-
schaft (den sog. delisch-attischen Seebund) gegründet und diese dann in
eine αρχή verwandelt, nach den Ergebnissen unserer Untersuchung
noch aufrechterhalten werden? Oder haben wir es nicht vielmehr mit
Veränderungen innerhalb des Hellenenbundes von 481 zu tun?
Dabei geht es in den zwischenstaatlichen Beziehungen in Griechen-
land um drei Bereiche:
1. Der hellenische Bund von 481.
2. Das Verhältnis der Athener zu den Peloponnesiern und den anderen
Griechen des Festlandes.
3. Das Verhältnis der Athener zu den Mitgliedern des Hellenenbundes,
die unter ihrer Hegemonie den Krieg gegen Persien fortführten.
1. Nachdem die Bundesgenossen dem Dorkis den Gehorsam verwei-
gert und den Athenern die Hegemonie endgültig übertragen hatten, ent-
sandten die Lakedaimonier weder Truppen noch Befehlshaber (zur Füh-
rung der von den Bündnern gestellten Kontingente). Sie wollten frei
sein vom Krieg mit den Medern, hielten die Athener für befähigt zur
militärischen Führung und waren ihnen auch zu der Zeit noch zuge-
neigt116. Der Hellenenbund selbst bestand weiter; denn Thukydides
114 Thuk. I 95,7: καί άλλους ούκέτι ύστερον έξέπεμψαν οί Λακεδαιμόνιοι, ...
άπαλλαξείοντες δέ καί του Μηδικού πολέμου καί τούς Αθηναίους νομίζοντες
ικανούς έξηγεΐσθαι καί σφίσιν έν τω τότε παρόντι έπιτηδείους.
115 J. Α. Ο. Larsen, Harv. St. 51 (1940) 184 hebt mit Recht hervor, daß die Lakedai-
monier sich mit dem Hegemoniewechsel ausdrücklich einverstanden erklärt haben
müssen.
115a Siehe D. Lotze, Klio 52 (1970) 269: „Wahrscheinlich konnte im Prinzip auch
während des Krieges durch Mehrheitsentscheidung eine Änderung (sc. in der
Hegemonie) vorgenommen werden“.
116 Thuk. I 95,7 (zur Haltung der Lakedaimonier D. Lotze, a.O. 265ff.).
setzen konnte114. Offenbar haben sie das Verhalten der Bundesgenossen
nicht als Vertragsbruch angesehen115. Für die Lakedaimonier waren die
bei der Flotte versammelten Hellenen befugt, im Namen aller Bundes-
genossen Entscheidungen zu treffen. Für die Übertragung der Hegemonie
an die Athener war anscheinend die Versammlung der Befehlshaber der
Flotte zuständig, d.h. der Hegemoniewechsel war in dieser Form im
Rahmen der bestehenden Verfassung des Hellenenbundes möglich1153.
V. Historischer Überblick
Wir müssen abschließend fragen, wie das attische Reich entstanden ist.
Kann die Ansicht, die Athener hätten 478/7 eine neue Bundesgenossen-
schaft (den sog. delisch-attischen Seebund) gegründet und diese dann in
eine αρχή verwandelt, nach den Ergebnissen unserer Untersuchung
noch aufrechterhalten werden? Oder haben wir es nicht vielmehr mit
Veränderungen innerhalb des Hellenenbundes von 481 zu tun?
Dabei geht es in den zwischenstaatlichen Beziehungen in Griechen-
land um drei Bereiche:
1. Der hellenische Bund von 481.
2. Das Verhältnis der Athener zu den Peloponnesiern und den anderen
Griechen des Festlandes.
3. Das Verhältnis der Athener zu den Mitgliedern des Hellenenbundes,
die unter ihrer Hegemonie den Krieg gegen Persien fortführten.
1. Nachdem die Bundesgenossen dem Dorkis den Gehorsam verwei-
gert und den Athenern die Hegemonie endgültig übertragen hatten, ent-
sandten die Lakedaimonier weder Truppen noch Befehlshaber (zur Füh-
rung der von den Bündnern gestellten Kontingente). Sie wollten frei
sein vom Krieg mit den Medern, hielten die Athener für befähigt zur
militärischen Führung und waren ihnen auch zu der Zeit noch zuge-
neigt116. Der Hellenenbund selbst bestand weiter; denn Thukydides
114 Thuk. I 95,7: καί άλλους ούκέτι ύστερον έξέπεμψαν οί Λακεδαιμόνιοι, ...
άπαλλαξείοντες δέ καί του Μηδικού πολέμου καί τούς Αθηναίους νομίζοντες
ικανούς έξηγεΐσθαι καί σφίσιν έν τω τότε παρόντι έπιτηδείους.
115 J. Α. Ο. Larsen, Harv. St. 51 (1940) 184 hebt mit Recht hervor, daß die Lakedai-
monier sich mit dem Hegemoniewechsel ausdrücklich einverstanden erklärt haben
müssen.
115a Siehe D. Lotze, Klio 52 (1970) 269: „Wahrscheinlich konnte im Prinzip auch
während des Krieges durch Mehrheitsentscheidung eine Änderung (sc. in der
Hegemonie) vorgenommen werden“.
116 Thuk. I 95,7 (zur Haltung der Lakedaimonier D. Lotze, a.O. 265ff.).