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Eike Wolgast
Hotmans Staatsverständnis beruht auf der Konzeption der gemisch-
ten Verfassung. Das Königtum ist legitimiert nur durch die Wahl des
Volkes, das historisch durch die Volksversammlung, in der Gegenwart
durch die Generalstände repräsentiert wird79. Offensichtlich ermutigt
durch die Haltung der Generalstände auf den Tagungen von 1560 und
1561, hob er sehr viel direkter als andere hugenottische Schriftsteller
auf die Generalstände als Träger des französischen Staatsgedankens
ab80; dem entsprach seine Abneigung gegen die Parlamente, die die
Funktionen der Etats generaux usurpierten und hugenottenfeindlicher
waren als die vergangenen Ständeversammlungen81.
Hotman differenzierte zwischen „Rex“ als „princeps . . . unicus ac
singularis ac tanquam caput Reipublicae“ und „Regnum“ als „civium ac
subiectorum Universitas et quasi corpus Reipublicae“82, um den auf das
Gemeinwohl verpflichteten Amtsträgern eine eigenständige Legitima-
tion zu sichern. Die magistratus inferiores werden vom Volk gewählt, im
Gegensatz zu den persönlichen Beratern des Königs erlischt ihr Amt da-
her nicht mit dessen Tod. Sie stellen eine die Amtsführung des Königs
überwachende Institution dar, von einem Widerstandsrecht für sie ist in
der „Francogallia“ allerdings nichts gesagt. In Hotmans Konzeption
stand das Widerstandsrecht - in Übereinstimmung mit Calvin - nur den
Ständen zu, die Notsituation der Verhinderung des Zusammentritts der
Stände oder des Versagens dieser Institution hat er nicht erörtert. Hier
wurden denn auch die Grenzen der historischen Begründung offenkun-
dig. Der theologische Aspekt fehlte ganz, auch das Verhalten des Ein-
zelnen gegenüber der ungerechten Herrschaft hat Hotman in seiner Fi-
xierung auf die Institutionen und auf die Verankerung des Widerstands
im positiven und historischen Recht nicht behandelt. Die entscheidende
Frage der Tyrannentötung und der dafür erforderlichen Legitimation
wurde gleichfalls nicht gestellt, so daß für wichtige aktuelle Aspekte des
Widerstandsrechts die aufgewendete Gelehrsamkeit und der juristische
Scharfsinn antiquarisch blieben.
79 Vgl. ebd., 230/32 (cap. 6): „Reges Francogalliae populi . . . hoc est ordinum et (ut
nunc loquimur) statuum iudicio ac Studio . . . constitutos fuisse“; vgl. auch 286ff. (cap.
12).
80 Nach Wolf (s. Anm. 28), 162 hat Hotman bewußt die Anregungen Calvins aufgenom-
men, die Kompetenz der Stände gegenüber der Krone in das französische Staatsrecht
einzubauen. Vermutlich bedurfte es aber dieser Anregung gar nicht, da Hotman die
französische Geschichte kannte und aus ihr seine Konzeption ableiten konnte.
81 Vgl. dazu Francogallia, 496ff. (cap. 27).
82 Ebd., 398 (cap. 19).
Eike Wolgast
Hotmans Staatsverständnis beruht auf der Konzeption der gemisch-
ten Verfassung. Das Königtum ist legitimiert nur durch die Wahl des
Volkes, das historisch durch die Volksversammlung, in der Gegenwart
durch die Generalstände repräsentiert wird79. Offensichtlich ermutigt
durch die Haltung der Generalstände auf den Tagungen von 1560 und
1561, hob er sehr viel direkter als andere hugenottische Schriftsteller
auf die Generalstände als Träger des französischen Staatsgedankens
ab80; dem entsprach seine Abneigung gegen die Parlamente, die die
Funktionen der Etats generaux usurpierten und hugenottenfeindlicher
waren als die vergangenen Ständeversammlungen81.
Hotman differenzierte zwischen „Rex“ als „princeps . . . unicus ac
singularis ac tanquam caput Reipublicae“ und „Regnum“ als „civium ac
subiectorum Universitas et quasi corpus Reipublicae“82, um den auf das
Gemeinwohl verpflichteten Amtsträgern eine eigenständige Legitima-
tion zu sichern. Die magistratus inferiores werden vom Volk gewählt, im
Gegensatz zu den persönlichen Beratern des Königs erlischt ihr Amt da-
her nicht mit dessen Tod. Sie stellen eine die Amtsführung des Königs
überwachende Institution dar, von einem Widerstandsrecht für sie ist in
der „Francogallia“ allerdings nichts gesagt. In Hotmans Konzeption
stand das Widerstandsrecht - in Übereinstimmung mit Calvin - nur den
Ständen zu, die Notsituation der Verhinderung des Zusammentritts der
Stände oder des Versagens dieser Institution hat er nicht erörtert. Hier
wurden denn auch die Grenzen der historischen Begründung offenkun-
dig. Der theologische Aspekt fehlte ganz, auch das Verhalten des Ein-
zelnen gegenüber der ungerechten Herrschaft hat Hotman in seiner Fi-
xierung auf die Institutionen und auf die Verankerung des Widerstands
im positiven und historischen Recht nicht behandelt. Die entscheidende
Frage der Tyrannentötung und der dafür erforderlichen Legitimation
wurde gleichfalls nicht gestellt, so daß für wichtige aktuelle Aspekte des
Widerstandsrechts die aufgewendete Gelehrsamkeit und der juristische
Scharfsinn antiquarisch blieben.
79 Vgl. ebd., 230/32 (cap. 6): „Reges Francogalliae populi . . . hoc est ordinum et (ut
nunc loquimur) statuum iudicio ac Studio . . . constitutos fuisse“; vgl. auch 286ff. (cap.
12).
80 Nach Wolf (s. Anm. 28), 162 hat Hotman bewußt die Anregungen Calvins aufgenom-
men, die Kompetenz der Stände gegenüber der Krone in das französische Staatsrecht
einzubauen. Vermutlich bedurfte es aber dieser Anregung gar nicht, da Hotman die
französische Geschichte kannte und aus ihr seine Konzeption ableiten konnte.
81 Vgl. dazu Francogallia, 496ff. (cap. 27).
82 Ebd., 398 (cap. 19).