Die Religionsfrage als Problem des Widerstandsrechts
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Generalstände am Zusammentritt gehindert waren, sprach ihr Verfas-
ser, der sich unter dem Pseudonym Eusebe Philadelphe Cosmopolite
verbarg, dem „citoyen prive“ das Recht auf Widerstand als Notrecht zu,
um durch den Kampf gegen die Tyrannis die Bedingungen für eine Ta-
gung der Generalstände zu schaffen. „Le Reveille-Matin“ wandte sich
scharf gegen „le traistre“ Karl IX. und gegen die ganze Valois-Dynastie.
„II faut, que . . . ce brave et puissant Royaume soit transporte ä quel
qu’autre Prince ou reparti entre plusieurs“76; damit wurde das Wider-
standsrecht zum Instrument gemacht, um weitreichende politische Vor-
stellungen, wie das Wahlkönigtum und die Föderalisierung Frankreichs,
durchzusetzen.
Scheinbar abstrakter und distanzierter ist das Problem des Wider-
standsrechts in den drei berühmten Schriften von Hotman, Beza und
Duplessy-Mornay/Languet (Brutus) zwischen 1573 und 1579 erörtert
worden. Dabei hat die „Francogallia“ Frangois Hotmans (Genf 1573)77
von ihrer Konzeption her am wenigsten Bezug auf die Gegenwart und
die Religionsfrage als politisches Problem genommen. Der Kronjurist
der protestantischen Partei rechtfertigte die aktuellen militärischen An-
strengungen der Hugenotten durch Rückgriff auf die Geschichte und
durch Belehrungen aus dem historischen Recht. Seine Geschichts-
schreibung war Mittel zum Zweck, indem das gegenwärtig von den Hu-
genotten in Anspruch genommene Widerstandsrecht aus den Beispielen
der gallisch-französischen Geschichte deduziert wurde. Ziel Hotmans
war es, mit Hilfe historischer Belehrung die Fehlentwicklungen der Ge-
genwart zu korrigieren; eine Gesundung des zerstörten Gemeinwesens
konnte nach seiner Überzeugung erst eintreten bei Rückführung Frank-
reichs „in suum antiquum et tanquam naturalem statum divino aliquo
beneficio“78.
76 Reveille-Matin II, 129.
77 Als textkritische Ausgabe der „Francogallia“ vgl. R. E. Giesey - J. H. M. Salmon
(Hg.), Francogallia by Frangois Hotman (Cambridge 1972) mit ausführlicher Einlei-
tung (danach im Folgenden zitiert). Bibliographie der „Francogallia“, deren zweite
(1576) und dritte Aufl. (1586) jeweils erweitert wurde, vgl. ebd., 128ff. sowie bei J.
Dennert (Hg.), Beza, Brutus, Hotman. Calvinistische Monarchomachen (Köln-Opla-
den 1968; Klassiker der Politiker N.F. 8), 346f.; vgl. ebd., 203ff. eine deutsche Über-
setzung. Vgl. auch J. H. Franklin (Hg.), Constitutionalism and Resistance in the Six-
teenth Century (New York 1969), 19ff. 47ff. Über Hotman vgl. Stricker (s. Anm.45),
lOlff.; D. R. Kelley, Frangois Hotman, a Revolutionary’s Ordeal (Princeton 1973).
Vgl. auch F. Kleyser, Calvin und Franz Hotman. In: Geschichtliche Kräfte und Ent-
scheidungen. Festschrift Otto Becker (Wiesbaden 1954), 47ff.
78 Francogallia, 142 (Praef.).
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Generalstände am Zusammentritt gehindert waren, sprach ihr Verfas-
ser, der sich unter dem Pseudonym Eusebe Philadelphe Cosmopolite
verbarg, dem „citoyen prive“ das Recht auf Widerstand als Notrecht zu,
um durch den Kampf gegen die Tyrannis die Bedingungen für eine Ta-
gung der Generalstände zu schaffen. „Le Reveille-Matin“ wandte sich
scharf gegen „le traistre“ Karl IX. und gegen die ganze Valois-Dynastie.
„II faut, que . . . ce brave et puissant Royaume soit transporte ä quel
qu’autre Prince ou reparti entre plusieurs“76; damit wurde das Wider-
standsrecht zum Instrument gemacht, um weitreichende politische Vor-
stellungen, wie das Wahlkönigtum und die Föderalisierung Frankreichs,
durchzusetzen.
Scheinbar abstrakter und distanzierter ist das Problem des Wider-
standsrechts in den drei berühmten Schriften von Hotman, Beza und
Duplessy-Mornay/Languet (Brutus) zwischen 1573 und 1579 erörtert
worden. Dabei hat die „Francogallia“ Frangois Hotmans (Genf 1573)77
von ihrer Konzeption her am wenigsten Bezug auf die Gegenwart und
die Religionsfrage als politisches Problem genommen. Der Kronjurist
der protestantischen Partei rechtfertigte die aktuellen militärischen An-
strengungen der Hugenotten durch Rückgriff auf die Geschichte und
durch Belehrungen aus dem historischen Recht. Seine Geschichts-
schreibung war Mittel zum Zweck, indem das gegenwärtig von den Hu-
genotten in Anspruch genommene Widerstandsrecht aus den Beispielen
der gallisch-französischen Geschichte deduziert wurde. Ziel Hotmans
war es, mit Hilfe historischer Belehrung die Fehlentwicklungen der Ge-
genwart zu korrigieren; eine Gesundung des zerstörten Gemeinwesens
konnte nach seiner Überzeugung erst eintreten bei Rückführung Frank-
reichs „in suum antiquum et tanquam naturalem statum divino aliquo
beneficio“78.
76 Reveille-Matin II, 129.
77 Als textkritische Ausgabe der „Francogallia“ vgl. R. E. Giesey - J. H. M. Salmon
(Hg.), Francogallia by Frangois Hotman (Cambridge 1972) mit ausführlicher Einlei-
tung (danach im Folgenden zitiert). Bibliographie der „Francogallia“, deren zweite
(1576) und dritte Aufl. (1586) jeweils erweitert wurde, vgl. ebd., 128ff. sowie bei J.
Dennert (Hg.), Beza, Brutus, Hotman. Calvinistische Monarchomachen (Köln-Opla-
den 1968; Klassiker der Politiker N.F. 8), 346f.; vgl. ebd., 203ff. eine deutsche Über-
setzung. Vgl. auch J. H. Franklin (Hg.), Constitutionalism and Resistance in the Six-
teenth Century (New York 1969), 19ff. 47ff. Über Hotman vgl. Stricker (s. Anm.45),
lOlff.; D. R. Kelley, Frangois Hotman, a Revolutionary’s Ordeal (Princeton 1973).
Vgl. auch F. Kleyser, Calvin und Franz Hotman. In: Geschichtliche Kräfte und Ent-
scheidungen. Festschrift Otto Becker (Wiesbaden 1954), 47ff.
78 Francogallia, 142 (Praef.).