Die Religionsfrage als Problem des Widerstandsrechts
17
en sa parole, c’est un privilege, qu’il ne faut pas usurper“17. Damit
schied der Einzelne als Träger des Widerstandsrechts praktisch aus.
Das Problem des Widerstandsrechts wird im 16. Jahrhundert vor al-
lem in den Ländern aktuell, die von den Konfessionskämpfen besonders
stark erschüttert werden, in Deutschland und Frankreich, daneben in
England und Schottland. Schon daran wird deutlich, daß nicht die Ver-
teidigung ständischer Rechte gegen Ansprüche des frühmodernen Staa-
tes, sondern die Religionsfrage der wichtigste Anlaß gewesen ist, das
Widerstandsrecht und die Befugnis zu seiner Ausübung zu erörtern und
es in die Praxis umzusetzen. Die theologischen Grundlagen werden von
Luther und Calvin gelegt, die Diskussion der Folgezeit entfernt sich um
so mehr von diesen Voraussetzungen, je stärker das Widerstandsrecht
unmittelbarer Bestandteil der konfessionellen Tagespolitik wird, auch
dann, wenn es bei der theoretischen Erörterung des Problems bleibt.
Bei den deutschen Lutheranern bricht die Diskussion ab, als durch den
Augsburger Religionsfrieden die Gründe für ein Widerstandsrecht in
der causa religionis entfallen. Die Erörterungen werden in Westeuropa
von den sogenannten Monarchomachen weitergeführt, zunächst in Eng-
land und Schottland, dann vor allem in Frankreich. Während sich für die
Hugenotten die Frage des Widerstandsrechts nach der Bartholomäus-
nacht 1572 in neuer Schärfe stellt, wird das Widerstandsrecht für die
altkirchliche Partei erst mit dem Thronfolgeanspruch Heinrichs von Na-
varra 1584 zum Problem. Außer den Niederlanden, in denen das über-
lieferte ständische Widerstandsrecht die Basis des Kampfes um die Un-
abhängigkeit bildet, ist Frankreich auch das einzige Land, in dem die
Theorie des Widerstandsrechts ernsthaft die Probe ihrer Tauglichkeit
für die Praxis bestehen muß, als der Widerstand bis zur faktischen Ab-
setzung des Fürsten und seiner Tötung als Tyrann vorgetrieben wird.
Am Ende des 16. Jahrhunderts verliert das Problem dann an tagespoli-
tischer Brisanz in dem Maße, in dem die causa religionis als bestimmen-
der Faktor der Politik zurücktritt; die Erfahrungen des Jahrhunderts hat
dann Althusius in seiner „Politica“ systematisierend verarbeitet.
2.
LUTHER hat sich erst spät und mit großen Bedenken und inneren Vor-
behalten zur theologischen Sanktionierung eines Widerstandsrechts be-
reitgefunden, wie sie von den evangelischen Politikern für den Fall eines
17 CR Opp. 23, 645 (Trois Sermons sur l’histoire de Melchisedec; 1560 erschienen).
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en sa parole, c’est un privilege, qu’il ne faut pas usurper“17. Damit
schied der Einzelne als Träger des Widerstandsrechts praktisch aus.
Das Problem des Widerstandsrechts wird im 16. Jahrhundert vor al-
lem in den Ländern aktuell, die von den Konfessionskämpfen besonders
stark erschüttert werden, in Deutschland und Frankreich, daneben in
England und Schottland. Schon daran wird deutlich, daß nicht die Ver-
teidigung ständischer Rechte gegen Ansprüche des frühmodernen Staa-
tes, sondern die Religionsfrage der wichtigste Anlaß gewesen ist, das
Widerstandsrecht und die Befugnis zu seiner Ausübung zu erörtern und
es in die Praxis umzusetzen. Die theologischen Grundlagen werden von
Luther und Calvin gelegt, die Diskussion der Folgezeit entfernt sich um
so mehr von diesen Voraussetzungen, je stärker das Widerstandsrecht
unmittelbarer Bestandteil der konfessionellen Tagespolitik wird, auch
dann, wenn es bei der theoretischen Erörterung des Problems bleibt.
Bei den deutschen Lutheranern bricht die Diskussion ab, als durch den
Augsburger Religionsfrieden die Gründe für ein Widerstandsrecht in
der causa religionis entfallen. Die Erörterungen werden in Westeuropa
von den sogenannten Monarchomachen weitergeführt, zunächst in Eng-
land und Schottland, dann vor allem in Frankreich. Während sich für die
Hugenotten die Frage des Widerstandsrechts nach der Bartholomäus-
nacht 1572 in neuer Schärfe stellt, wird das Widerstandsrecht für die
altkirchliche Partei erst mit dem Thronfolgeanspruch Heinrichs von Na-
varra 1584 zum Problem. Außer den Niederlanden, in denen das über-
lieferte ständische Widerstandsrecht die Basis des Kampfes um die Un-
abhängigkeit bildet, ist Frankreich auch das einzige Land, in dem die
Theorie des Widerstandsrechts ernsthaft die Probe ihrer Tauglichkeit
für die Praxis bestehen muß, als der Widerstand bis zur faktischen Ab-
setzung des Fürsten und seiner Tötung als Tyrann vorgetrieben wird.
Am Ende des 16. Jahrhunderts verliert das Problem dann an tagespoli-
tischer Brisanz in dem Maße, in dem die causa religionis als bestimmen-
der Faktor der Politik zurücktritt; die Erfahrungen des Jahrhunderts hat
dann Althusius in seiner „Politica“ systematisierend verarbeitet.
2.
LUTHER hat sich erst spät und mit großen Bedenken und inneren Vor-
behalten zur theologischen Sanktionierung eines Widerstandsrechts be-
reitgefunden, wie sie von den evangelischen Politikern für den Fall eines
17 CR Opp. 23, 645 (Trois Sermons sur l’histoire de Melchisedec; 1560 erschienen).