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Dihle, Albrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1981, 2. Abhandlung): Der Prolog der "Bacchen" und die antike Überlieferungsphase des Euripides-Textes: vorgetragen am 18. November 1980 — Heidelberg: Winter, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.47795#0025
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Der Prolog der ‘Bacchen'

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tion, die sich im literarischen Leben des Hellenismus entfaltete, spielte
die befremdliche Gestalt des zugleich zerstörenden und befreienden
Gottes eine wichtige Rolle. Erst in diesem Zusammenhang findet sich
auch die Kunde von seinem Zug bis an die Enden der Welt. Wir kennen
das z. B. aus der mythologisch-theologischen Einleitung in die Univer-
salgeschichte Diodors, und die Dionysiaka, das große Epos des Nonnos
von Panopolis aus dem 4. Jh. n. C., sind fast völlig der farbigen Be-
schreibung des weltweiten dionysischen Eroberungszuges gewidmet.
Aber auch in Herrscherideologie und Herrscherkult der hellenistischen
Epoche kommt dem Dionysos besondere Bedeutung zu: Die göttlich le-
gitimierte Weltherrschaft, die jeder hellenistische König jedenfalls po-
tentiell in Anspruch nimmt, wird gern durch seine Stilisierung als Neos
Dionysos, als neuer oder wiederkehrender Dionysos, anschaulich ge-
macht. Das galt besonders für Ägypten, denn dort entsprach die Gleich-
setzung des Pharao mit dem Gott Osiris alter epichorischer Tradition,
Osiris aber war schon für Herodot die ägyptische Erscheinungsform des
griechischen Dionysos (2,42,2). Noch Antonius betrachtete sich als
zweiten Dionysos, und es gibt bei Plutarch eine packende Schilderung,
wie kurz vor dem Tod des Antonius und der Kleopatra, also am Ende
des hellenistisch-ägyptischen Königtums, der Gott mit seinem Gefolge
zu nächtlicher Stunde die Hauptstadt Alexandria verließ (Plut. Ant.
75).
Dionysos als Gestalt der hellenistischen Königsideologie bringt uns
auch auf die Spur, die zum Ursprung der Vorstellung von seinem Er-
oberungszug führt.
In der Geschichte des Alexanderzuges, die Arrian im 2. Jh. n. C. nach
guten Quellen verfaßte, steht ein besonders ausführlicher Bericht über
die ersten Unternehmungen des Königs auf indischem Boden24. Im
nördlichen Pandjab, kurz vor der Überquerung des Indus, sei er mit sei-
ner Armee zu einer Stadt mit Namen Nysa gekommen. Ihr König habe
ihm erklärt, die Stadt sei von Dionysos auf einem Zuge durch Indien ge-
gründet und nach dem Land Nysa benannt worden, in dem er gemäß al-
ter griechischer Tradition - sie findet sich z. B. in den homerischen
Hymnen und im attischen Drama - nach seiner vorzeitigen Geburt auf-
gezogen wurde. Dionysos habe eben genau wie Alexander die Welt
durchzogen und Städte gegründet, und Alexander sei der erste, der wie
der Gott bis nach Indien gekommen sei. Nach dem von Arrian referier-
24 Arr. anab. 5,1,1; 7,10,6; Diod. 2,38 (= Megasthenes F gr H 715 F 5). Herodot kennt
eine Überlieferung, nach der Nysa in Aethiopien zu suchen ist (2,146; 3,97).
 
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