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Dihle, Albrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1981, 2. Abhandlung): Der Prolog der "Bacchen" und die antike Überlieferungsphase des Euripides-Textes: vorgetragen am 18. November 1980 — Heidelberg: Winter, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.47795#0026
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Albrecht Dihle

ten Bericht zog Dionysos genau wie nach der Erzählung des Bacchen-
Prologes von Kleinasien, wo man übrigens seit alters das dionysische
Nysa lokalisierte, nach Osten und erst dann nach Hellas. Alexander ha-
be sich dann während eines längeren Aufenthaltes vom dionysischen
Charakter der Stadt überzeugt und dem Gott geopfert, als dessen Nach-
folger und Ebenbild er sich fortan betrachten konnte.
Aus welcher Kontamination indischer und griechischer Elemente
diese Dionysos-Legende damals zustande kam und wer letztlich ihr Er-
finder war, läßt sich nicht mehr bestimmen. Sicher ist, daß sie begreif-
licherweise nicht nur bei Alexander Gefallen fand. Sie verbreitete sich,
gewiß nicht ohne Beziehung zum Herrscherkult, in der ganzen griechi-
schen Welt. Eratosthenes, der sich auch nachdrücklich gegen jede geo-
graphische Interpretation der Irrfahrten des Odysseus aussprach, sah
sich veranlaßt, die damals, im 3. Jh. v. C., offenbar ganz populäre Ge-
schichte des dionysischen Zuges durch die Welt, die man Alexander in
Indien erzählt hatte, mit naheliegenden Argumenten ins Reich der Fa-
bel zu verweisen (Strab. 15,1,7). Aber ihrer Wirkung auf das Bild des
Dionysos hat das keinen Abbruch getan. Er wurde fortan überall als
Welteroberer nach der Art Alexanders betrachtet - ein Gedanke, der
im Zeitalter einer sehr virulenten Weltherrschaftsidee außerordentlich
nahe lag. Dem archaisch-klassischen Bild vom Wesen des Dionysos
aber war dieser Zug gänzlich fremd,25 und eben auch den ‘Bacchen’ au-
ßerhalb jener Prologverse.
Die vorgetragenen Erwägungen rufen manchen Zweifel an der Echt-
heit der Verse 14ff. wach. Der Exkurs über den Welteroberungszug des
Dionysos führt außerdem ein Stilelement in den Prolog ein, das der
Kunst des Euripides eigentlich fremd ist. Im Gegensatz zu Aischylos26
vermeidet Euripides im allgemeinen die ausgebreitete Darstellung geo-
graphischer oder ethnographischer Details. Der exotische Charakter
des Dionysos-Dienstes, an dem die ‘Bacchen’ gewiß keinen Zweifel las-
sen, gehört außerhalb des Prologes gemäß der Euripides vorgegebenen
25 Daß dieser Zug, sieht man von den 'Bacchen' des Euripides ab, erst in der Zeit seit
Alexander sichtbar wird, ist das Fazit eines Überblicks über das Stellenmaterial bei
W. Fauth (Kl. Pauly 2,84) und O. Kern (R. E. 5,1039ff.). Zur Parallele Dionysos/Al-
exander vgl. neuerdings F. F. Schwarz, Hommage ä M. J. Vermaseren III, Leiden
1978, 1118. Auch die in hellenistischer Zeit aufkommende Dionysos-Epik (Eupho-
rien, Neoptolemos von Parion) mag in diesen Zusammenhang gehören. Vgl. H. J.
Mette, Rhein. Mus. 123, 1980, 15f„ ferner Sen. Oed. llüff.
26 Reiches Material in dieser Frage bei H. H. Bacon, Barbarians in Greek Tragedy, New
Haven 1961, vor allem 15-62.
 
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