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Dihle, Albrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1981, 2. Abhandlung): Der Prolog der "Bacchen" und die antike Überlieferungsphase des Euripides-Textes: vorgetragen am 18. November 1980 — Heidelberg: Winter, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.47795#0027
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Der Prolog der ‘Bacchen’

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Tradition zur Herkunft des Gottes aus dem lydisch-phrygischen Raum,
auf die wiederholt hingewiesen wird: Die Ausmalung dieses Zuges
durch zusätzliches geographisches Material nach Art der Verse 14ff.
paßt nicht nur nicht in die Vorstellungswelt des 5. Jh. v. C., sondern ist
zudem in der Darstellungsweise uneuripideisch. Die Zahl exotischer
Länder- und Völkernamen ist in den 14 erhaltenen Tragödien des Ai-
schylos und Sophokles erheblich größer als in den 18 des Euripides, von
denen doch zwei, ‘Helena’ und ‘Taurische Iphigenie’, in exotischem Mi-
lieu spielen.
Es liegen demnach hinlänglich Gründe vor, in den Versen 14ff. eine
Interpolation zu sehen, die man freilich genauer abzugrenzen hat.
Der Exkurs wird in geradezu klassischer Interpolatorenmanier mit ei-
nem Opirycov T£ eingeführt (14). Die Übergangsformel ergibt sich aus
folgendem Chorlied, das Lydien (65; 154) und Phrygien (159) nennt.
Beschränkt man nun diese Interpolation auf den geographischen Teil,
ergibt sich zwar ein glatter grammatischer Anschluß des Verses 20 an
den Vers 13. Die folgenden Verse 21/22 aber beziehen sich unmittelbar
auf den geographischen Teil, dem sie erst seinen rechten Sinn geben:
Um allenthalben seinen Kult einzuführen und sich als Gott zu offenba-
ren, hat Dionysos den Zug durch die Welt unternommen. Bei einer aus-
schließlichen Beziehung des tolkeI in Vers 21 auf Lydien wäre der Fi-
nalsatz des Verses 22 wohl zu gewichtig. Die Verse 21/22 gehören also
zu der Interpolation und wären ohne die vorangehende geographische
Partie ungeschickt. Daß sie nach, nicht vor dem echten Vers 20 einge-
führt wurden, hat seinen Grund darin, daß es dem Interpolator um ei-
nen wirkungsvollen Abschluß des eingefügten Abschnittes zu tun war,
den er vor dem Vers 20 kaum hätte anbringen können.
Aber eben dadurch, daß der echte Vers 20 in die Interpolation einbe-
zogen wurde, entstand die Notwendigkeit, im Fortgang des Prologs der
Deutlichkeit halber noch einmal Theben und das erste Auftreten des
Gottes in Griechenland zu erwähnen. So kam die etwas plumpe Wie-
derholung 20/23 zustande, von der oben die Rede war. Der Neubeginn
in Vers 23, den man demnach mit seiner Wiederholung gleichfalls dem
Interpolator zuzuschreiben hat, ist zudem wiederum etwas zu wortreich
ausgefallen. Das ist bei einer Zudichtung verständlich, doch taucht da-
neben, durchaus sinnvoll mit dem Namen Thebens als erster griechi-
scher Station des Gottes verknüpft, ein Motiv auf, das seinen Platz ei-
gentlich erst in den Versen 32ff. hat, nämlich die Beschreibung des
Ausbruchs dionysischer Raserei bei den thebanischen Frauen. Vers 23
wiederholt also Vers 20, die Verse 24/25 nehmen die Verse 32ff. vor-
 
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