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Dihle, Albrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1981, 2. Abhandlung): Der Prolog der "Bacchen" und die antike Überlieferungsphase des Euripides-Textes: vorgetragen am 18. November 1980 — Heidelberg: Winter, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.47795#0034
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Albrecht Dihle

Auch die große, in die Mitte des 3. Jh. v. C. zu datierende Inschrift
aus Tegea (Syll. 31080), in der die ganze Karriere eines berühmten
Schauspielers verzeichnet ist, läßt sich wohl nur unter der Vorausset-
zung verstehen, daß dieser Mann immer wieder mit Einzelnummern
und nicht oder nicht nur in Gesamtaufführungen klassischer Tragödien
auftrat. Er hatte, vorwiegend mit Euripides-Stücken, bei großen drama-
tischen Agonen der griechischen Welt mitgespielt, und zwar in Athen
(Dionysien), Delphi (Soterien), Argos (Heraien) und Dodona (Naien),
darüber hinaus aber bei nicht weniger als 88 weiteren Festen verschie-
denster, wohl zumeist kleiner Städte, welche die Inschrift nicht nament-
lich auffuhrt19. Es läßt sich kaum annehmen, daß bei allen diesen Gele-
genheiten Inszenierungen vollständiger Tragödien auch nur möglich
waren. Entsprechendes gilt für die kaiserzeitlichen Inschriften aus Ko-
rinth und Kyzikos, die Louis Robert behandelt hat20. Auch hier liegen
Siege in der Konkurrenz mit Einzelstücken aus Komödien und Tragö-
dien viel näher als solche mit Gesamtaufführungen.
Daß auch im Fall der Aufführung einzelner Partien aus klassischen
Tragödien der Inhalt des Stückes, insbesondere bei Dramen des Euripi-
des, in großen Zügen als bekannt vorausgesetzt werden konnte, läßt
sich aus mehreren und ganz verschiedenartigen Zeugnissen erschließen.
Die mythologischen Handbücher der hellenistisch-römischen Zeit er-
zählen den Sagenstoff immer wieder in der Fassung, die ihm die großen
Tragiker gegeben haben - man denke etwa an Pseudo-Apollodor oder
Hygin. Auch war nach Ausweis der Papyri in der gesamten nachklassi-
schen Zeit kein Dichter außer Homer in Schule und Haus so beliebt wie
Euripides1. Man zitiert ihn gern als 6 xpayiKÖg oder f] Tpotyipöta. In öf-
fentlichen und privaten Bibliotheken waren seine Tragödien zugäng-
lich2, und nicht nur in literarischen Texten, sondern auch auf Inschriften
Ausgestaltung der Soteria beschrieben wird, welche man nach dem Galliersturm fei-
erte.
19 Ganz offenbleiben muß die Frage, ob die zahlreichen neuen, also erstmals aufgeführ-
ten Tragödien und Satyrspiele, die in der großen Agonotheten-Inschrift aus Magnesia
am Maeander (2.-1. Jh. v. C.) als an den Romaia der Stadt inszeniert aufgezählt wer-
den, tatsächlich vollständige Tragödien klassischen Stiles waren, wie sie bis in die Kai-
serzeit hinein als Lesedramen verfaßt wurden (Plin. ep. 5,3 u.ö.), oder ob man auch
hier mit „Konzertaufführungen“ rechnen muß (Inschr. v. Magnesia Nr. 88).
20 Bull. Epigr. Rev. et. gr. 1968 Nr. 254.
21 H. Funke, JbAC 8/9 (1965/66) 233-79 mit reichem Material zum Nachleben des Eu-
ripides.
22 Vgl. das Bibliotheksverzeichnis IG II2 2363 (um 100 v. C.) aus dem Piraeus.
 
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