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Dihle, Albrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1981, 2. Abhandlung): Der Prolog der "Bacchen" und die antike Überlieferungsphase des Euripides-Textes: vorgetragen am 18. November 1980 — Heidelberg: Winter, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.47795#0080
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Albrecht Dihle

zwischen den Anmarsch und der Schlacht in dem der Interpolation ver-
dächtigten Abschnitt 1104—1140 erzählt, dann eigentlich einen Zustand
herbeiführt, wie er ungefähr schon während der Teichoskopie am An-
fang der Handlung des Stückes vorausgesetzt wird, trägt dann noch zu-
sätzlich zur Unklarheit des Handlungsablaufs bei.
In einem berühmt gewordenen Aufsatz hat U. von Wilamowitz (Her-
mes 26, 1891, 191ff.) dargelegt, wie wenig einhellig die Überlieferung
von den sieben Toren Thebens und ihrer Benennung in den verschiede-
nen, bis zu Statius und in die kaiserzeitliche Mythographie reichenden
Gestaltungen der Sage vom Zug der Sieben gewesen ist. Aber gerade an
diesem Punkt liegt eine Besonderheit der ‘Phoinissen’: Sowohl bei Ais-
chylos als auch in der übrigen, letztlich auf das Alte Epos zurückgehen-
den Tradition von diesem Krieg sind die sieben Tore der Stadt der ein-
zig wichtige topographische Faktor. Die Zuordnung der Kämpfer zu
den Toren steht im Zentrum der aischyleischen Tragödie. Genau dieser
Faktor aber spielt in den ‘Phoinissen’ überhaupt keine Rolle, wenn man
von den verdächtigen Versen 1104-1140 des ersten Botenberichtes ab-
sieht. Von Toren Thebens ist zwar an verschiedenen Stellen die Rede,
aber weder die Mauerschau, noch der Dialog zwischen Kreon und Ete-
okles, noch die Schlachtbeschreibung des Botenberichtes erwähnen
auch nur einen ihrer Namen. Wir hatten oben (S. 75) gesehen, daß die
Namen der betreffenden Tore sogar dort fehlen, wo die topographische
Vorstellung vom Hergang des Kampfes mit Aischylos in auffälliger
Weise übereinstimmt. Das ist deshalb merkwürdig, weil topographische
Namensangaben in diesen Partien ja keineswegs fehlen, und es läßt sich
am ehesten wiederum als bewußt gesuchten Gegensatz zu den ‘Sieben’
des Aischylos verstehen, wo die Topographie ganz und fast pedantisch
auf die Tore und ihre Namen bezogen ist, wie vermutlich schon in der
dem Aischylos vorliegenden mythisch-epischen Tradition. Die mit
Recht als Polemik gegen Aischylos gedeuteten Verse 75 If. erhalten7, so
betrachtet, einen neuen Akzent. In den ‘Hiketiden’, wo gewiß keine
Konkurrenz-Situation zu Aischylos vorliegt, hat Euripides die Schlacht
zwischen Athenern und Thebanern im Süden der Stadt stattfinden las-
sen und dementsprechend das Elektra-Tor genannt. Eben dieses Tor
wird übrigens auch einmal in den ‘Phoinissen’ außerhalb der interpo-
7 Den vorausgehenden Vers 748 hat Jackson (Marginalia Scaenica 117f.) überzeugend
geheilt, indem er das überlieferte eJtTämjQyov eg nöktv unter Berufung auf S. Ant.
119 in eg oröuct änderte. Der Text der ‘Phoinissen’ verdankt Jackson auch noch ande-
re, schlagende Verbesserungen: 1551 (S. 137) und 1560ff. (S. 87f.).
 
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