Der Prolog der ‘Bacchen’
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lierten Partie des Botenberichtes erwähnt. Freilich handelt es sich um
eine sehr pathetische Chorpartie ohne Bezugnahme auf ein gleichzeiti-
ges oder bevorstehendes Ereignis im Handlungsablauf, und dazu in ei-
nem Teil der Tragödie, der insgesamt immer wieder durchgreifender
Überarbeitung verdächtigt worden ist. In dem großen Klagelied näm-
lich, das erst Antigone allein, dann im Wechsel mit dem von ihr heraus-
gerufenen blinden Oedipus an den drei 1475ff. auf die Bühne getrage-
nen Leichen zu singen hat, erscheint das Elektra-Tor als Ortsangabe für
den tödlichen Kampf der feindlichen Brüder, den Jokaste an Ort und
Stelle zu verhindern suchte (1570). Das stimmt zwar nicht zu Aischylos,
doch paßt es zu der gegenüber diesem geänderten Gesamtkonzeption
vom Ablauf des Krieges, durch die sich die ‘Phoinissen’ von den ‘Sie-
ben’ unterscheiden. Bei Aischylos gehört der Zweikampf der Brüder in
die große Schlacht an allen sieben Toren, und Polyneikes hat sich eben
das namenlose siebente Tor als Angriffsziel ausgesucht (63Iff.). Wila-
mowitz (aaO. 229) hat darauf hingewiesen, daß die Zuordnung der
feindlichen Brüder zum siebenten und letzten, mit Namen nicht ge-
nannten Tor einer Steigerungsabsicht entspricht, die Aischylos im Mit-
telteil seiner Tragödie verfolgt: Um dieses Zweikampfes willen findet
der ganze Krieg statt. Euripides trennt bekanntlich den Zweikampf vom
ersten Sturm auf die Stadt, der im ersten Botenbericht erzählt wird, und
ist insofern frei mit seiner Lokalisierung. Freilich gibt bezeichnender-
weise der zweite, dem Zweikampf und seinen Begleitumständen gewid-
mete Botenbericht (1356ff.) keine Ortsangabe, und ebenso fehlt eine
solche in der Ankündigung des Zweikampfes im ersten Botenbericht
(1226ff.) und in der Szene, die Jokaste und Antigone im Aufbruch zum
Schlachtfeld zeigt, wo sie den Kampf der Brüder verhindern wollen
(1264ff.). Die Erwähnung des Elektra-Tores im Klagelied der Antigo-
ne (1570) steht damit zu anderen topographischen Angaben nicht gera-
dezu im Widerspruch, denn daß Polyneikes in der - vermutlich interpo-
lierten - Beschreibung der Heeresabteilungen im ersten Botenbericht
am Krenaiischen Tor (1123) erscheint, lokalisiert nicht notwendiger-
weise den viel späteren Zweikampf. Wohl aber überrascht das Elektra-
Tor im Text des Klageliedes deshalb, weil die ohnehin raren topogra-
phischen Angaben in den ‘Phoinissen’ — die Verse 1104-40 immer aus-
genommen - sich durchweg nicht auf die Tore beziehen und sich darin
von der Dichtung des Aischylos unterscheiden. Ob das Elektra-Tor in
1570 lediglich als berühmtes Tor der Stadt genannt wird, ohne daß eine
klare topographische Vorstellung dahinter stünde? Euripides freilich
mag man einen solchen Sprachgebrauch nicht gern zutrauen. Eine
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lierten Partie des Botenberichtes erwähnt. Freilich handelt es sich um
eine sehr pathetische Chorpartie ohne Bezugnahme auf ein gleichzeiti-
ges oder bevorstehendes Ereignis im Handlungsablauf, und dazu in ei-
nem Teil der Tragödie, der insgesamt immer wieder durchgreifender
Überarbeitung verdächtigt worden ist. In dem großen Klagelied näm-
lich, das erst Antigone allein, dann im Wechsel mit dem von ihr heraus-
gerufenen blinden Oedipus an den drei 1475ff. auf die Bühne getrage-
nen Leichen zu singen hat, erscheint das Elektra-Tor als Ortsangabe für
den tödlichen Kampf der feindlichen Brüder, den Jokaste an Ort und
Stelle zu verhindern suchte (1570). Das stimmt zwar nicht zu Aischylos,
doch paßt es zu der gegenüber diesem geänderten Gesamtkonzeption
vom Ablauf des Krieges, durch die sich die ‘Phoinissen’ von den ‘Sie-
ben’ unterscheiden. Bei Aischylos gehört der Zweikampf der Brüder in
die große Schlacht an allen sieben Toren, und Polyneikes hat sich eben
das namenlose siebente Tor als Angriffsziel ausgesucht (63Iff.). Wila-
mowitz (aaO. 229) hat darauf hingewiesen, daß die Zuordnung der
feindlichen Brüder zum siebenten und letzten, mit Namen nicht ge-
nannten Tor einer Steigerungsabsicht entspricht, die Aischylos im Mit-
telteil seiner Tragödie verfolgt: Um dieses Zweikampfes willen findet
der ganze Krieg statt. Euripides trennt bekanntlich den Zweikampf vom
ersten Sturm auf die Stadt, der im ersten Botenbericht erzählt wird, und
ist insofern frei mit seiner Lokalisierung. Freilich gibt bezeichnender-
weise der zweite, dem Zweikampf und seinen Begleitumständen gewid-
mete Botenbericht (1356ff.) keine Ortsangabe, und ebenso fehlt eine
solche in der Ankündigung des Zweikampfes im ersten Botenbericht
(1226ff.) und in der Szene, die Jokaste und Antigone im Aufbruch zum
Schlachtfeld zeigt, wo sie den Kampf der Brüder verhindern wollen
(1264ff.). Die Erwähnung des Elektra-Tores im Klagelied der Antigo-
ne (1570) steht damit zu anderen topographischen Angaben nicht gera-
dezu im Widerspruch, denn daß Polyneikes in der - vermutlich interpo-
lierten - Beschreibung der Heeresabteilungen im ersten Botenbericht
am Krenaiischen Tor (1123) erscheint, lokalisiert nicht notwendiger-
weise den viel späteren Zweikampf. Wohl aber überrascht das Elektra-
Tor im Text des Klageliedes deshalb, weil die ohnehin raren topogra-
phischen Angaben in den ‘Phoinissen’ — die Verse 1104-40 immer aus-
genommen - sich durchweg nicht auf die Tore beziehen und sich darin
von der Dichtung des Aischylos unterscheiden. Ob das Elektra-Tor in
1570 lediglich als berühmtes Tor der Stadt genannt wird, ohne daß eine
klare topographische Vorstellung dahinter stünde? Euripides freilich
mag man einen solchen Sprachgebrauch nicht gern zutrauen. Eine