Der Prolog der ‘Bacchen’
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IVd
Daß der ganze Schluß der Thoinissen’ wegen seiner Stoff- und Mo-
tivfülle höchst ungereimt ist und zum dramatischen Vorwurf der Tragö-
die, wie er oben S. 58 herausgearbeitet wurde, nichts beiträgt, hat man
offenbar schon in der Antike notiert1. Freilich ist es bisher nicht gelun-
gen, das Unechte so auszuscheiden, daß der euripideische Tragödien-
schluß wieder zum Vorschein kommt.
Am Ende des zweiten Botenberichtes, aus dem der Zuschauer über
das Schicksal der feindlichen Brüder und ihrer Mutter erfährt, werden
die drei Toten in Begleitung Antigones auf die Bühne getragen. (Kreon
befindet sich schon beim Eintreffen des Boten auf der Bühne.) Nach
kurzen Choranapästen folgt eine Klagemonodie der Antigone
(1485ff.), in deren Verlauf sie den blinden Vater herausruft, der in ihre
Klage einstimmt (1539ff.). Diesem Auftritt macht Kreon ein Ende
(1584ff.), der Oedipus des Landes verweist. In das lange Gespräch Oedi-
pus / Kreon mischt sich Antigone (1639ff.), und es kommt zu zwei gro-
ßen, aneinandergereihten Stichomythien: Zuerst Kreon / Antigone um
das Bestattungsverbot und die Hochzeit mit Haimon (1645ff.), dann
Antigone / Oedipus über den gemeinsamen Weg in die Verbannung
(1683ff.). Der Auszug von Vater und Tochter wird durch ein langes
Amoibaion gekennzeichnet (1710ff.), das durch sechs von Oedipus ge-
sprochene Tetrameter abgeschlossen wird (1758ff.). Ein kurzes Gebet
des Chors um den Sieg beschließt das Stück (1764/66).
Die Themenfülle dieser Partie ist erstaunlich, und es wird nicht klar,
in welcher inneren Beziehung die wichtigsten unter ihnen (Bestattungs-
verbot, Hochzeit mit Haimon, Verbannung) zu der exponierten und
durchgeführten Haupthandlung des Dramas stehen, die mit dem Tod
der Brüder und Jokastes ihren Abschluß gefunden hat. Die Behandlung
dieser Themen und Motive in dem beschriebenen Teil des Dramas führt
denn auch zu einer ganzen Anzahl von schwer erträglichen Wider-
sprüchlichkeiten. Eine ergibt sich aus den Versen 1589ff. Dort erklärt
Kreon dem blinden Oedipus, ihn fortan nicht weiter im Lande behalten
zu können, denn ein eindeutiger (ocupcbc;. . . eijte) Spruch des Teiresias
1 So vor allem der Schluß der ersten Hypothesis.
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Daß der ganze Schluß der Thoinissen’ wegen seiner Stoff- und Mo-
tivfülle höchst ungereimt ist und zum dramatischen Vorwurf der Tragö-
die, wie er oben S. 58 herausgearbeitet wurde, nichts beiträgt, hat man
offenbar schon in der Antike notiert1. Freilich ist es bisher nicht gelun-
gen, das Unechte so auszuscheiden, daß der euripideische Tragödien-
schluß wieder zum Vorschein kommt.
Am Ende des zweiten Botenberichtes, aus dem der Zuschauer über
das Schicksal der feindlichen Brüder und ihrer Mutter erfährt, werden
die drei Toten in Begleitung Antigones auf die Bühne getragen. (Kreon
befindet sich schon beim Eintreffen des Boten auf der Bühne.) Nach
kurzen Choranapästen folgt eine Klagemonodie der Antigone
(1485ff.), in deren Verlauf sie den blinden Vater herausruft, der in ihre
Klage einstimmt (1539ff.). Diesem Auftritt macht Kreon ein Ende
(1584ff.), der Oedipus des Landes verweist. In das lange Gespräch Oedi-
pus / Kreon mischt sich Antigone (1639ff.), und es kommt zu zwei gro-
ßen, aneinandergereihten Stichomythien: Zuerst Kreon / Antigone um
das Bestattungsverbot und die Hochzeit mit Haimon (1645ff.), dann
Antigone / Oedipus über den gemeinsamen Weg in die Verbannung
(1683ff.). Der Auszug von Vater und Tochter wird durch ein langes
Amoibaion gekennzeichnet (1710ff.), das durch sechs von Oedipus ge-
sprochene Tetrameter abgeschlossen wird (1758ff.). Ein kurzes Gebet
des Chors um den Sieg beschließt das Stück (1764/66).
Die Themenfülle dieser Partie ist erstaunlich, und es wird nicht klar,
in welcher inneren Beziehung die wichtigsten unter ihnen (Bestattungs-
verbot, Hochzeit mit Haimon, Verbannung) zu der exponierten und
durchgeführten Haupthandlung des Dramas stehen, die mit dem Tod
der Brüder und Jokastes ihren Abschluß gefunden hat. Die Behandlung
dieser Themen und Motive in dem beschriebenen Teil des Dramas führt
denn auch zu einer ganzen Anzahl von schwer erträglichen Wider-
sprüchlichkeiten. Eine ergibt sich aus den Versen 1589ff. Dort erklärt
Kreon dem blinden Oedipus, ihn fortan nicht weiter im Lande behalten
zu können, denn ein eindeutiger (ocupcbc;. . . eijte) Spruch des Teiresias
1 So vor allem der Schluß der ersten Hypothesis.