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Dihle, Albrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1981, 2. Abhandlung): Der Prolog der "Bacchen" und die antike Überlieferungsphase des Euripides-Textes: vorgetragen am 18. November 1980 — Heidelberg: Winter, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.47795#0091
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Der Prolog der ‘Bacchen’

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Sprache kommt, trotz der Frage der Antigone in 1644. Es ergibt sich
daraus ein langer stichomythischer Dialog zwischen Antigone und Kre-
on, der damit endet, daß Kreon die Weigerung Antigones, Haimon zu
heiraten, unter dem Eindruck ihrer Drohung, den aufgezwungenen
Gatten notfalls in der Brautnacht zu töten, widerwillig hinnimmt, aber
Antigone des Landes verweist. Antigones Ankündigung, den Bruder
trotz des Verbotes bestatten zu wollen, bleibt hingegen deklamatorisch.
Am Schluß dieser Stichomythie hat man wohl damit zu rechnen, daß
Kreon die Bühne verläßt (1682). Damit sind die Themen Bestattung
und Haimon abgehandelt und werden im folgenden nicht weiter er-
wähnt. Es folgt dann eine weitere, diesmal zwischen Oedipus und Anti-
gone geführte Stichomythie (1683-1707), in deren Verlauf Antigone
gegen den Einspruch des Vaters den schon gegenüber Kreon geäußer-
ten Entschluß (1679) bekräftigt, das Exil des Blinden zu teilen und ihn
zu versorgen und sodann dem Vater eine letzte Berührung der drei To-
ten ermöglicht. Oedipus scheint dabei den Antigone erteilten Auswei-
sungsbefehl nicht gehört zu haben. Mit dem Hinweis auf das Apollon-
Orakel, Oedipus werde im attischen Kolonos die letzte Ruhestätte fin-
den, endet die Szene, die in ein gesungenes Amoibaion der Beiden
überleitet (1710ff.).
Es ist hier gar nicht der Versuch gemacht, die Motive Verbannungs-
dekret, Bestattung des Eteokles, Haimon, Antigone als Begleiterin des
verbannten Vaters ineinander zu arbeiten oder zu anderen Motiven und
Situationen des Dramas in Beziehung zu setzen. Wenn man hinzu-
nimmt, daß alle die vier genannten Motive konstitutiv für die besondere
Handlung drei berühmter sophokleischer Tragödien sind, nämlich für
die ‘Antigone’ und die beiden Oedipus-Dramen, gewinnt dieser Ein-
druck einer ganz unorganischen Verbindung der Schlußszene mit der
eigentlichen Handlung der ‘Phoinissen’ an Bedeutung. Unter den Vor-
aussetzungen, die von der spezifischen Handlung der euripideischen
‘Phoinissen’ geschaffen worden sind und die deshalb dem Zuschauer in
Erinnerung gehalten werden, kommt ein Schauspiel auf die Bühne, das
gleichsam systematisch an jene drei Dramen des Sophokles anknüpft.
Eines dieser drei Dramen, der ‘Oedipus auf Kolonos’, lag noch gar nicht
vor, als Euripides die ‘Phoinissen’ zwischen 412 und 409 auf die Bühne
brachte.
Merkwürdig und nur mit schematisch angelegtem Gesamtaufbau der
Szene zu erklären ist ferner der Umstand, daß in der ganzen Sprechsze-
ne gar nicht der Versuch gemacht wird, zwischen Kreon, Oedipus und
Antigone ein Dreiergespräch zu gestalten. Vielmehr werden die einzel-
 
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