Der Prolog der ‘Bacchen'
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Unter Bezugnahme auf die Vorstellung von den Sehstrahlen jedoch
kann man kni m. Dat. auch als Richtungsangabe auffassen. Der blinde
Oedipus kann das Haus nicht sehen, in dem er sich aufhält. Auf das
Haus hat er ein für alle Mal Dunkelheit statt erhellender, Erkenntnis
bewirkender Sehstrahlen „geworfen“ (ßctkcov). Bei diesem Verständnis
der Verse 1532f. kann man an der überlieferten Lesart etil öcopcxoiv
festhalten.
Wie alt ist die Lehre von den Sehstrahlen, die noch Euklid und Ptole-
maios (T. L. Heath, A Manual of Greek Mathematics, New York 1963,
266; 413) zur Grundlage ihrer Optik nahmen? Der Text, der ihre
gleichsam klassische Form überliefert, steht in Platons ‘Timaios’ (45 C
ff.) und wurde wieder und wieder zitiert, vor allem auch in der Ausein-
andersetzung mit der prinzipiell anderen Sehtheorie der Epikureer. Al-
lerdings nahm Platon an, daß der vom Auge ausgehende Sehstrahl oder
-ström (p£Üpa) mit dem ihm verwandten Licht der Außenwelt beim
Sehakt verschmilzt, und darum hat Apuleius gewiß recht, wenn er ver-
einfachend drei Typen der Sehtheorie beschreibt: Epikur rechnet nur
mit den ins Auge dringenden imagines a corporibus emanantes, Plato
lehrt die Mischung der vom Auge ausgehenden radii mit dem lumen ex-
trarium, während Archytas nur die radii oculis profecti sine ullo foris
amminiculo kennt (apol. 15 = Archytas VS 47 A 27).
Der relativ komplizierte Entwurf Platons ist dem Entwurf Demokrits
ähnlich. Zwar reden die Doxographen meist so, als ob Demokrit, eben-
so wie Leukipp und Epikur, nur die siöoAa kenne (Aet. 4,8,10), die
sich von den Objekten ablösen (cotoQQEOvxa) und in das Sehorgan ein-
dringen (Epjtüxxovxa; Alex, de sens. 56,12). Aber der genauere Bericht
Theophrasts (de sens. 50 = Demokrit VS 68 A 135) paßt so gut zu dem
bei Sextus (adv. math 7, 135) im Wortlaut erhaltenen Demokrit-Frag-
ment, daß man ihm glauben muß: Der Sehvorgang beruht auf einer Er-
scheinung oder Abbildung (Epxpaoig), die durch die Formung (xbncooig)
der zwischen Sehorgan und Objekt befindlichen, von beiden zusam-
mengepreßten (ouoTEkköpEvov) Luft (dfjp) entsteht. Denn alles erzeugt
irgendeine Emanation (dtnoppori), durch die in diesem Fall eine Luft-
masse von zwei Seiten beeinflußt wird. Dieser Bericht bestätigt einmal
Demokrits eigene Aussage, daß man immer nur Wechselndes wahrneh-
me, je nach dem Zustand des Körpers und dem der sioiövxot und der
dvTioTiqQi^öpEva, also doch wohl der beiden gegeneinander gerichteten
Atombewegungen. Ferner paßt er zu Aristoteles’ Notiz (de an. 419 a
15), Demokrit habe gesagt, zwischen Sehendem und Gesehenem gebe
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Unter Bezugnahme auf die Vorstellung von den Sehstrahlen jedoch
kann man kni m. Dat. auch als Richtungsangabe auffassen. Der blinde
Oedipus kann das Haus nicht sehen, in dem er sich aufhält. Auf das
Haus hat er ein für alle Mal Dunkelheit statt erhellender, Erkenntnis
bewirkender Sehstrahlen „geworfen“ (ßctkcov). Bei diesem Verständnis
der Verse 1532f. kann man an der überlieferten Lesart etil öcopcxoiv
festhalten.
Wie alt ist die Lehre von den Sehstrahlen, die noch Euklid und Ptole-
maios (T. L. Heath, A Manual of Greek Mathematics, New York 1963,
266; 413) zur Grundlage ihrer Optik nahmen? Der Text, der ihre
gleichsam klassische Form überliefert, steht in Platons ‘Timaios’ (45 C
ff.) und wurde wieder und wieder zitiert, vor allem auch in der Ausein-
andersetzung mit der prinzipiell anderen Sehtheorie der Epikureer. Al-
lerdings nahm Platon an, daß der vom Auge ausgehende Sehstrahl oder
-ström (p£Üpa) mit dem ihm verwandten Licht der Außenwelt beim
Sehakt verschmilzt, und darum hat Apuleius gewiß recht, wenn er ver-
einfachend drei Typen der Sehtheorie beschreibt: Epikur rechnet nur
mit den ins Auge dringenden imagines a corporibus emanantes, Plato
lehrt die Mischung der vom Auge ausgehenden radii mit dem lumen ex-
trarium, während Archytas nur die radii oculis profecti sine ullo foris
amminiculo kennt (apol. 15 = Archytas VS 47 A 27).
Der relativ komplizierte Entwurf Platons ist dem Entwurf Demokrits
ähnlich. Zwar reden die Doxographen meist so, als ob Demokrit, eben-
so wie Leukipp und Epikur, nur die siöoAa kenne (Aet. 4,8,10), die
sich von den Objekten ablösen (cotoQQEOvxa) und in das Sehorgan ein-
dringen (Epjtüxxovxa; Alex, de sens. 56,12). Aber der genauere Bericht
Theophrasts (de sens. 50 = Demokrit VS 68 A 135) paßt so gut zu dem
bei Sextus (adv. math 7, 135) im Wortlaut erhaltenen Demokrit-Frag-
ment, daß man ihm glauben muß: Der Sehvorgang beruht auf einer Er-
scheinung oder Abbildung (Epxpaoig), die durch die Formung (xbncooig)
der zwischen Sehorgan und Objekt befindlichen, von beiden zusam-
mengepreßten (ouoTEkköpEvov) Luft (dfjp) entsteht. Denn alles erzeugt
irgendeine Emanation (dtnoppori), durch die in diesem Fall eine Luft-
masse von zwei Seiten beeinflußt wird. Dieser Bericht bestätigt einmal
Demokrits eigene Aussage, daß man immer nur Wechselndes wahrneh-
me, je nach dem Zustand des Körpers und dem der sioiövxot und der
dvTioTiqQi^öpEva, also doch wohl der beiden gegeneinander gerichteten
Atombewegungen. Ferner paßt er zu Aristoteles’ Notiz (de an. 419 a
15), Demokrit habe gesagt, zwischen Sehendem und Gesehenem gebe