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Dihle, Albrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1981, 2. Abhandlung): Der Prolog der "Bacchen" und die antike Überlieferungsphase des Euripides-Textes: vorgetragen am 18. November 1980 — Heidelberg: Winter, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.47795#0117
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Der Prolog der ‘Bacchen’

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57 der Vorwurf gemacht, sie hätten Helena und die Beute am Morgen
nach Sparta bringen lassen. Die Prologrede der Elektra, mit der die
Tragödie beginnt, erzählt dem Zuschauer, Menelaos habe Helena in der
Nacht vom Hafen aus in den Palast vorausgeschickt (npowi£pVEV 60),
damit sich der Volkszorn nicht gegen sie richte. Natürlich beginnt die
Handlung am Morgen, wie das Scholion richtig bemerkt. Der Einzug
der Helena gehört nicht zur Handlung, denn am Ende der Prologrede,
die die auf das Eintreffen des Menelaos wartende Elektra neben dem
Lager des schlafenden Orestes spricht, tritt Helena aus dem Palast und
redet Elektra an. Wenn also „moderne Schauspieler“ den Einzug der
Helena am Anfang des „Orestes“ spielten, paßt das nicht zur Handlung,
und man kann an eine Einzelaufführung der Prologrede denken, der
der stumme Aufzug der Helena mit der Kriegsbeute als Einleitung
diente.
Der Überblick über das von den Scholien gelieferte Material hat er-
geben, daß man mindestens in augusteischer Zeit mit dem Vorhanden-
sein später Bühnenvarianten in solchen Euripides-Texten rechnen muß,
die Gegenstand der Grammatikererklärung waren, also sicherlich eher
als Lese- denn als Bühnenexemplare anzusehen waren. Es bedeutet al-
so keine gewagte Annahme, wenn man auch für die Zeit nach der Ari-
stophanes von Byzanz die Einwirkung des Theaterbetriebes auf den
Textbestand des Euripides nicht ausschließt, und damit steht es frei, zur
Erklärung merkwürdiger Stellen und Zusammenhänge in den erhalte-
nen Tragödien die spezifischen Verhältnisse der hellenistisch-kaiser-
zeitlichen Bühne heranzuziehen.
 
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