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Hengel, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1982, 1. Abhandlung): Achilleus in Jerusalem: eine spätantike Messingkanne mit Achilleus-Darstellungen aus Jerusalem ; vorgelegt am 28. November 1981 — Heidelberg: Winter, 1982

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https://doi.org/10.11588/diglit.47804#0038
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28

Martin Hengel

die Armringe (?), die Priamos auf die Waagschale legt, das Ge-
schmeide der Frauen darstellen sollen. Nach einem lateinischen
Mythographen (s. o. Anm. 40) bot Polyxene zu diesem Zweck ihre
„Armringe und ihren Goldschmuck“ an. Bei allen anderen bekann-
ten Darstellungen der Wägung sind die Größenverhältnisse realisti-
scher. Dies gilt auch für toreutische Arbeiten wie den Silberkrug
von Berthouville und die koptische Schale, auf der letzteren ist
allerdings der Leichnam Hektors wegen einer Beschädigung kaum
mehr sichtbar.. Auch der in ähnlicher Weise über die Waagschale
hängende Körper Hektors auf dem Glasbecher von Ostia ist im
Verhältnis sehr viel größer44. Man kann diese Sonderbarkeit darum
kaum mit dem Unvermögen des provinziellen Künstlers begrün-
den.
Das auffallende Mißverhältnis legt verschiedene Möglichkeiten
der Erklärung nahe. Einmal erinnert es an altorientalische Darstel-
lungen, etwa den bewußt gewollten Unterschied zwischen dem
kämpfenden Pharao und seinen unterlegenen bzw. getöteten Geg-
nern auf zahlreichen ägyptischen Bildwerken. Weiter kann man bei
der Gestalt der Waage und des daraufliegenden winzigen Leich-
nams an das Vorbild der Psychostasie denken45, das ja ebenfalls in
der Ilias erscheint, wo Zeus vor dem Zweikampf auf einer Waage die
„Schicksalslose“ des Achilleus und Hektors abwägt46. Die bild-
lichen Darstellungen dieses Vorgangs betreffen dagegen fast aus-
nahmslos die „Psychostasie“ des Zeus über das Schicksal der bei-
den Söhne göttlicher Mütter, Memnon und Achilleus, von der die
Ilias nichts berichtet, die aufgrund spätarchaischer Sagenbilder und
Aischylos (s. u.) für die ältere (?) Aithiopis erschlossen wird. Mög-
licherweise ist das Motiv der Schicksalswägung in der Ilias von der
Aithiopis abhängig und geht letztlich - Memnon, Sohn der Eos, war
König der Äthiopier - (mit E. Wüst und gegen G. Björck) - auf das
altägyptische Vorbild der Seelenwägung zurück, von der wir aus
44 LIMC I s. v. Achilleus Nr. 688. 686. 711. s. o. Anm. 30. 34. 33.
45 Dazu W. H. Roscher, Lexicon der griechischen und römischen Mythologie III, 2
(1902/9), Sp. 3224 ff.; E. Wüst, Art. Psychostasie PW XXII, 2 (1959), Sp. 1439 ff.;
vgl. ders. ARW 36 (1939), 162-171; M. P. Nilsson, Geschichte der griechischen
Religion, 21955, I, 224 f. Dagegen G. Björck, Die Schicksalswaage, Eranos 43
(1945), 58-66. W. Pötscher, Wiener Studien 73 (1960), 14 ff. und KP 3, 194 f.
(Ker); 203 (Kerostasie); 4, 1213 (Psychostasie). Vgl. auch K. Schefold, Götter
und Heldensagen der Griechen in der spätarchaischen Kunst, 1978, 241 f.
Hinweis von R. Kannicht.
46 22, 209 ff. vgl. 8, 69, Vergil, Aeneis 12, 725 ff.
 
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