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Hengel, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1982, 1. Abhandlung): Achilleus in Jerusalem: eine spätantike Messingkanne mit Achilleus-Darstellungen aus Jerusalem ; vorgelegt am 28. November 1981 — Heidelberg: Winter, 1982

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https://doi.org/10.11588/diglit.47804#0056
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Martin Hengel

vor101. Das soeben veröffentlichte Achilleus-Mosaik aus Nablus, das
die Bearbeiterin C. M. Dauphin in die Mitte des 3. Jhdts. nach
Philippus Arabs (244-249) datiert, unterstreicht diese These102. Die
beiden Fragmente, die davon erhalten sind, weisen auf die Über-
gabe des Knaben Achilleus an seinen Erzieher Chiron und auf die
Deidameiaszene hin, man wird daher in dem Mosaik einen Er-
ziehungszyklus vermuten dürfen. Ab dem 4. Jh. brachte dann die
Verherrlichung der „Paideia“ des Achilleus u. a. auch den heid-
nischen Protest gegen den Sieg des Christentums und seines so
ganz anderen, gerade nicht kriegerisch-heroischen Erziehungs-
ideals zum Ausdruck103. Ein derartiger, tieferliegender „ideologi-
scher“ Hintergrund ist - im Gegensatz etwa zu der herrlichen
Silberschale von Kaiseraugst (s. o. Anm. 74) aus der Zeit des Julian
Apostata (um 350 n. Chr.) - bei der sehr viel späteren Jerusalemer
Kanne kaum mehr vorauszusetzen. Als sie entstand, war das Hei-
dentum weitgehend verdrängt und der christliche Glaube längst
unbestrittene Reichsreligion geworden. Christliche Rhetoren wie
Prokopios und Chorikios von Gaza konnten gerade darum das
klassische heroische Erbe in fast selbstverständlicher Weise weiter-
pflegen. So geht etwa Prokopios in seiner Declamatio Phoinix auch
relativ ausführlich auf die verschiedenen Stadien der Erziehung des
Achilleus ein, die freilich jetzt, da er sich mit Briseis vergnügt,
anstatt den Achäern zu helfen, als vergeblich erscheint104. Es ist
auffallend, wie sehr hier - unter christlichem Einfluß - das aske-
tisch-ethische Motiv in den Vordergrund tritt.
Der Hersteller, der - was die Gesamtkomposition anbetrifft - nach
älteren Vorlagen arbeitete, hatte in seiner Zeit im 6. oder 7. Jh.
gewiß keine „weltanschaulichen“ Ambitionen mehr. Ihm ging es
lediglich um die Abbildung von vier ansprechenden und bekann-
101 Op. cit. 288 ff.: „Aus solcher Sicht würden dann auch die überraschend zahl-
reichen Achilleuszyklen des späten 3. bis 5. Jh. besser verständlich.“ (290). Zu
den drei Achilleussarkophagen und einem Amazonensarkophag aus Tyrus s. 289
Anm. 34; zu einem Mosaik mit der Deidameiaszene in Palmyra Anm. 43. Wei-
teres u. Anm. 111.
102 Op. cit. (Anm. 52) 19 ff. 30 ff. Plate 1 und 2 A u. C. Daneben befindet sich eine
Mosaikumrandung mit Jagdszenen.
103 Dazu M. Manacorda, op. cit. (Anm. 52) passim; vgl. K. Weitzmann, op. cit.
(Anm. 73) 45 ff. Zur Homerinterpretation und Kritik der Kirchenväter s.
G. Glockmann, Das Homerbild der altchristlichen Literatur in der Forschung
der Gegenwart, Klio 43/45 (1965) 270-281.
104 S. o. S. 38 Anm. 75 vgl. 69.
 
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