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Burkert, Walter; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1984, 1. Abhandlung): Die orientalisierende Epoche in der griechischen Religion und Literatur: vorgetragen am 8. Mai 1982 — Heidelberg: Winter, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.47812#0022
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Walter Burkert

gern und allgemein eingeräumt24; man verweist auf die mykenischen Import-
stücke in Ugarit, man nennt Alasia-Cypem als Knotenpunkt ostwestlicher Be-
ziehungen. Man sieht in dieser Perspektive auch Hesiod und Homer. Ausge-
blendet bleibt dabei die 'orientalisierende Epoche’, das Jahrhundert etwa zwischen
750 und 650 v.Chr., also gerade das eigentliche 'homerische’ Zeitalter, als neben
östlichen Techniken und Bildmotiven doch auch die Schrift zu den Griechen kam
und die Aufzeichnung griechischer Literatur erstmals ermöglicht hat. Bezeichnend
ist die Hartnäckigkeit, mit der man besonders in der deutschen Wissenschaft einer
Frühdatierung der griechischen Schrift zuneigte25: so schien griechische Schrift
und Literatur dem im materiellen Bereich so auffälligen Einströmen des Orienta-
lischen vorauszuliegen und gleichsam davor bewahrt zu sein.
Dabei haben die Fortschritte der Archäologie das Bild der 'Dunklen Jahrhun-
derte’ zunehmend erhellt und lassen insbesondere das 8. Jh. in immer klareren
Konturen erscheinen. Entscheidend waren die Entdeckungen der griechischen
Niederlassungen in Syrien und auf Ischia in Verbindung mit den Ausgrabungen
von Lefkandi und Eretria auf Euboia. Die Ausbreitung des Erzhandels im Mittel-
meerraum zugleich mit der assyrischen Expansion zum Mittelmeer ergibt den
einleuchtenden historischen Rahmen auch für die Wanderung östlicher Hand-
werker nach Westen und für die Ausbreitung der phönikisch-griechischen Schrift26.
Ein ausgewogenes Bild jener entscheidenden Epoche, in der die griechische Kul-
tur unter orientalischer Anregung ihren einzigartigen Aufschwung nahm, um als-
bald selbst die kulturelle Führung im Mittelmeerraum zu übernehmen, sollte in
Reichweite sein27.
In vorliegender Studie wird der Vermutung nachgegangen, daß in dieser Epoche
den Griechen aus dem späthethitisch-aramäisch-phönikischen Raum nicht nur ein
paar 'Handfertigkeiten’ und 'Fetische’, nicht nur neue Handwerkstechniken und
Kunstmotive zugekommen sind, sondern Religion und Literatur in wesentlicherer
Weise affiziert wurden28. Zum einen wird auf die 'Handwerker des Sakralen’ hin-
gewiesen, den mobilen Stand der Seher und Reinigungspriester, die mit manti-

24 Gordon (1955); Webster (1958); vgl. Astour (1966) Untertitel; Harmatta (1968); Laroche
(1973); Stella (1978); Duchemin (1980c) 848f.
25 Für Datierung der griechischen Schrift „lieber ins X. als ins IX. Jahrhundert“ A. Rehm,
Handbuch der Archäologie I (1939) 197f., 194f., danach G. Klaffenbach, Griechische
Epigraphik (1957) 35, (vorsichtiger 19662, 36); vgl. W. Schadewaldt, Von Homers Welt
und Werk (19512) 26; 94, 4; Heubeck (1955) 521, 56: „Auf alle Fälle kommen wir be-
trächtlich vor die Epoche der 'orientalisierenden’ Kunst“. Widerlegung durch Jeffery
(1961), -* I 3.
26 -> I 1/2.
27 Vgl. bes. Jeffery (1976); Murray (1982).
28 Für nachmykenische orientalisch-griechische Vermittlung der mythologischen Themen
ist bes. Heubeck (1955) eingetreten, vgl. jetzt auch F. Schachermeyr, Die griechische
Rückerinnerung im Lichte neuer Forschungen, Sitzungsber. Wien 404 (1983) 23.
 
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