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Burkert, Walter; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1984, 1. Abhandlung): Die orientalisierende Epoche in der griechischen Religion und Literatur: vorgetragen am 8. Mai 1982 — Heidelberg: Winter, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.47812#0036
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Walter Burkert

mien und Syrien, tritt dann in Gortyn und Korinth kurz nach 700 auf41. Daß
vielmehr Griechen im Orient, in Syrien oder Tarsos bei einheimischen Meistem
in die Lehre gingen, wäre eine Hypothese, die im Prinzip gleichviel erklärt; in
beiden Fällen geht es nicht um Fernberührung, sondern um intensive Zusammen-
arbeit mit detaillierter Verständigung wenigstens für eine Lehrzeit. Die kretischen
Befunde geben den Ausschlag, eher mit eingewanderten Handwerkern im griechi-
schen Bereich zu rechnen, was einzelne Reisen in umgekehrter Richtung natür-
lich nicht ausschließt.
Die Annahme wandernder orientalischer Handwerker stößt noch zuweilen auf
Kritik, von Seiten klassischer Archäologen wie Orientalisten. Steht bei jenen me-
thodische Zurückhaltung im Vordergrund42, die die historische, fast anekdotische
Konkretisierung scheut, so scheint diesen das Bild freien Unternehmertums, das
hier in die dunklen Jahrhunderte projiziert wird, mit den von Königsmacht und
Bürokratie beherrschten Verhältnissen des Orients kaum vereinbar43. Hier ist in
der Tat ein deutlicher Unterschied zwischen 'westlicher’ und 'östlicher’ Überliefe-
rung. Daß die Handwerker dank ihrer 'Kunst’ sich durch individuelle Mobilität
auszeichnen, im Gegensatz zu den Bauern wie zu den landsässigen Adligen, sagt
der bekannte Homervers über die δημιοεργοί (Od. 17, 383-5). Bereits Solon hat,
laut Plutarch, die Konsequenz gezogen und Handwerker zum Zuzug nach Athen
veranlaßt: μετοικίζεσϋαι έπϊ τέχνη ist sein Terminus für diese Wanderschaft44.
Gleichzeitig haben die Tyrannen von Korinth die Handwerker gefördert, während
nach Athen wiederum Themistokles die 'Techniten’ durch Angebot von Steuer-
freiheit lockte, „damit möglichst viele Leute sich ansässig machten“45 46. Aus der
Fremde zugewandert sind bereits früher, den Namen nach zu urteilen, Töpfer
und Vasenmaler wie Brygos und Lydos40. Daß Handwerker zugewanderte Nicht-
Bürger sind, ist noch für Aristoteles fast die Regel; er spricht auch von Sklaven
als Handwerkern47, doch steht fest, daß für hochqualifizierte Handarbeit Sklaven
41 Dunbabin (1957) 37; 50,5; Riis (1960) 197; Rizza-Santa Maria Scrinari (1968) 213-45;
Boardman (1981) 86-88.
42 Herrmann (1975) 304, der das Bronzetympanon vom Ida als ein Importstück betrachtet
(308); dagegen Blome (1982) 16.
43 Helck (1979) 55; 226-8; Diskussion der Probleme bei Winter (1973) 477-82; Grottanelli
(1982b) 664.
44 Plut. Sol. 24, 4; zu Korinth Hdt. 2, 167, 2.
45 Diod. 11, 43, 3.
46 Boardman (1981) 97. Auch an 'Amasis’ ist zu denken, vgl. dazu K. Schauenburg
Jdl 79 (1964) 136-8.
47 Arist. Pol. 1278a 7 δοΰλον το βάναυσον ή ξενικόν, διόπερ οί πολλοί τοιοΰτοι και νυν.
Zum persischen Hintergrund der 'Handwerkersteuer’ (χειρωνάξιον, Arist. Oik. 1345b 7)
Μ. Wörrle Chiron 9 (1979) 91f. - Unfreie Frauen als Weberinnen werden 'mitgenom-
men’ und gehandelt: 11. 6, 290f.; 23, 263; Od. 15, 418, vgl. zu Ägypten Helck (1979)
226.
 
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