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Burkert, Walter; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1984, 1. Abhandlung): Die orientalisierende Epoche in der griechischen Religion und Literatur: vorgetragen am 8. Mai 1982 — Heidelberg: Winter, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.47812#0038
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Walter Burkert

sprechen davon, daß ein Architekt oder Schmied einfach 'weggegangen’ sei, offen-
bar aus freiem Antrieb und ohne daß staatliche Maßnahmen ergriffen werden58.
Dies ist ein bemerkenswertes Zeugnis dafür, daß zumindest de facto bereits im
bronzezeitlichen Orient eine gewisse freie Mobilität für qualifizierte Spezialisten
gegeben war. Ein Gegenstück liefert dann in der Zeit des Dareios der Lebensweg
des Arzt Demokedes, wie ihn Herodot erzählt59: er kehrte gegen den Willen
des Großkönigs in seine Heimat zurück, und es gelang diesem nicht, seiner hab-
haft zu werden. Damals hatten längst auch andere griechische Spezialisten den
Weg zu den orientalischen Höfen gefunden, zu Nebukadnezar in Babylon60 wie
zu Dareios in Persepolis61.
Zumindest Ansätze zu freier Mobilität der Handwerker bestanden also im Osten
seit langer Zeit, und die Reichweite der Despoten war begrenzt; im Westen ist
diese Mobilität in der orientalisierenden Epoche voll entfaltet. Daß eben dies einen
starken Anreiz zur Auswanderung in den freien Westen ausüben konnte, ist zu
vermuten. Bereits die orientalischen Handwerker sind in Form des Familienver-
bandes organisiert, als 'Söhne der Handwerker’, mare ummani, im Zweistromland,
'Söhne der Gießer’, Z?« nsk, in Syrien62. Dies schließt Formen der gegenseitigen
Unterstützung ein, die gerade Auswanderern zugute kommen mußte. Selbst wenn
das freie Unternehmertum im Handwerk eine 'Erfindung’ der frühorientalisie-
renden Epoche sein sollte, waren die Orientalen’ gewiß daran beteiligt.
Als weiteres mobiles Element sind die Söldner in Betracht zu ziehen. Wir
wissen von den griechischen und karischen Söldnern des Psammetich63; Anti-
menidas, der Bruder des Alkaios, war Söldner in Babylon, wie Sapphos Bruder
Charaxos in Ägypten64. Ob freilich in Davids Leibwache, 'Krethi und Plethi’,
bereits 'Kreter’ neben den Philistern Dienst taten, ist ganz unsicher65. Eher sind
die 'Karim', die dann im 9. Jh. bezeugt sind66, in der Tat Karer, wie dann ka-
rische Söldner im Ägypten des 7.Z6. Jh. eine wichtige Rolle spielen. Dann wird
es auch an Griechen nicht gefehlt haben, selbst wenn der Fall des lamani von

58 Sasson (1968) 48f.
59 Hdt. 3, 125-37.
60 E. F. Weidner in: Melanges Syriens off. ä R. Dussaud (1939) II 932f.; ANET 308b;
Boardman (1981) 56f.
61 G. Μ. A. Richter AJA 50 (1946) 15-30; C. Nylander, lonians at Pasargadae (1970);
Boardman (1981) 120 und JHS 100 (1980) 204-6.
62 Inschrift der Silberschale Tyskiewicz, o. Anm. 10; -* II 1, 29.
63 Hdt. 2, 152: 'Ionier und Karer’.
64 Alkaios 350 vgl. 48, wo erstmalig Babylon und Askalon genannt sind. Sappho 202 -
Hdt. 2, 135.
65 'Krethi und Plethi’ 2. Sam. 8, 18; 15, 18; 20, 7; 23; 1. Kön. 1, 38.
66 2. Kön. 11, 4; 19; zu Karern in Ägypten vgl. Anm. 61 und O. Masson, J. Yoyotte,
Objets pharaoniques ä inscription carienne (1956); O. Masson, Carian inscriptions from
North Saqqara and Buhen (1978).
 
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