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Burkert, Walter; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1984, 1. Abhandlung): Die orientalisierende Epoche in der griechischen Religion und Literatur: vorgetragen am 8. Mai 1982 — Heidelberg: Winter, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.47812#0048
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Walter Burkert

Wörter bleibt, getarnt, durchaus vorhanden. Eine gewisse Chance, über Kling-
Klang-Spiele hinauszukommen, liegt darin, Komplexe ins Auge zu fassen, entweder
Namen in Verbindung mit konkreten Gegenständen bzw. Techniken oder aber
Gruppen zusammengehöriger Bezeichnungen. Darüber hinaus können sehr spezi-
fische, besonders mehrsilbige Klangkörper und spezielle Bedeutungsstrukturen
auch in der Isolation überzeugende Verbindungen herstellen, weil dann die Wahr-
scheinlichkeit zufälligen Gleichklangs überaus klein wird.
Überblickt man die Listen anerkannter semitischer Lehnwörter im Griechischen,
tritt ein weiteres Stereotyp hervor: gern zugegeben wird die semitische Herkunft
von Termini des Handels und Handelsgütern7; eher ausgeblendet bleiben - was
doch die historischen Zusammenhänge nicht minder erwarten lassen - die Be-
reiche des Handwerks, des Kriegswesens, der Schriftkultur. So bestätigt sich ein
im Grund antisemitisches Vorverständnis vom Wesen des Semitischen.
Gewiß, die Liste semitisch benannter Handelsgüter ist imposant8. Χρυσός und
χιτών sind dabei die beiden wichtigen Entlehnungen, die bereits im Mykenischen
bezeugt sind und so für bronzezeitlichen Wirtschaftsaustausch zeugen. Ähnlich
sind Stoffe wie σινδών, οθόνη, βύσσος zu den Griechen gelangt und natürlich
arabische Spezialitäten wie Λίβανος und μύρρα, dazu νάρδος, κασία, κάνναβις,
κιννάμωμον, νάφθα, νίτρον, ferner κρόκος und σήσαμον. Vielleicht gehört dazu
auch die Bezeichnung für 'salben, eincremen’, λίπα άλείφεσθαι9. Das akkadische
'Feinmehf, samidu, ist zu σεμίδαλις geworden und lebt so nicht nur im Neu-
griechischen, sondern über lateinisch simila auch in der bayerischen 'Semmel’ fort10.
Dazu kommen Gefäßnamen wie κάδος, σιπύη und - am geläufigsten - λεκάνη;
hier spiegelt, gegenüber aramäisch laqna, die Volksetymologie ein geläufiges grie-
chisches Suffix vor11. Wenn άλάβαστρον mit akkadisch algamesu, hebräisch älgabis
zusammengestellt wird, stimmen die Konsonanten nur noch von ungefähr; bei
σμάραγδος, akkadisch barraqtu, aramäisch bafqa, sanskrit marakatam, scheint es
vollends aussichtslos, den Weg des Wortes durch die orientalischen Basare zu
verfolgen12. Deutlicher wäre κάλχη für eine Art Purpur13, was vom Handel auch
7 E. Boisacq, Dictionnaire etymologique de la langue grecque (1916) VII: «finfluence se-
mitique ... bornee ä l’adoption ... de quelques termes commerciaux»; A. Meillet, Ge-
schichte des Griechischen (vgl. Anm. 4) 55; Masson (1967) 114, die (47f.) zwar κάννα,
nicht aber κανών behandelt.
8 Das Folgende, soweit nicht anders angegeben, nach Masson (1967). Dort fehlen die Anm.
9, 10, 11, 16, 19, 21-26, 31, 32, 33, 36 genannten Wörter.
9 Zu der erstarrten Form λίπα können die Indogermanisten Vergleichsmaterial liefern
(Chantraine [1968/80] 642), aber 'Fett’ heißt gerade akkadisch lipü (Akkusativ lipä) und
wird besonders auch in der Magie verwendet, AHw 555.
10 Vgl. Szemerenyi (1974) 156; Chantraine (1968/80) 996.
11 Salonen (1974) 143.
12 J. Tischler Glotta 56 (1978) 60f. - Vgl. Chantraine (1968/80) 1026.
13 Das semitische Wort ist aber nur erschlossen: G. Garbini Riv. di Studi Fenici 3 (1975)
15f.
 
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