Π. ΜΑΝΤΙΝ Η ΙΗΤΗΡΑ ΚΑΚΩΝ:
Ostwestliche Magie und Medizin
1. Mobilität und Familienmodell
Seher und Arzt nennt Homer an erster Stelle unter den wandernden 'Hand-
werkern’, um die der Demos sich bemüht. Sie sind Spezialisten besonderer Art,
sie haben eine 'Kunst’, Techne, die kein anderer 'kann’. Seher und Arzt sind
dabei vor der hippokratischen Wende, die in der Streitschrift 'Von der Heiligen
Krankheit’ dokumentiert ist, ganz eng miteinander verbunden; Seher und Heiler
erscheinen in der Personalunion des τελεστικός και μαντικός βίος1. Das aufkläre-
rische Vorurteil gegen alle 'Charlatane’ darf nicht darüber hinwegtäuschen, wie
wichtig Formen ritueller, religiös begründeter Therapie in urtümlichen Gesell-
schaften waren. Daß damit in Einzelfällen erstaunliche Erfolge erzielt werden,
wird heute kaum bestritten, und auch Seher mit mannigfacher Techne haben
durchaus Konjunktur.
„Der das Heilige zur Techne macht“, ό τέχνημ ποιούμενος τα ιερά, dies ist die
prägnante Bezeichnung, die der Derveni-Papyrus für einen Spezialisten der priva-
ten Weihen liefert. Entsprechend nennt Strabon „die dionysischen und orphi-
schen τέχναι“, während für den hippokratischen Polemiker ein solcher 'Techniker’
vielmehr ein 'Banause’ ist2. Auch er freilich gibt an, daß wandernde Seher und
Heiler als Träger eines 'Wissens’ auftreten. In der Tat wurden und werden Cha-
rismatiker als erfolgreiche 'Spezialisten’ zu weitum gesuchten Persönlichkeiten,
die noch leichter und weiter ausgreifend Grenzen überschreiten können als die
Handwerker schlichterer Art. Als mobile Träger grenzüberschreitenden Wissens
verdienen die wandernden Charismatiker daher für die Frage nach Kulturkon-
takten besondere Aufmerksamkeit; sie stellen in früher Zeit die geistige Elite dar,
und die ist alsbald international3.
1 PI. Phdr. 248d. Moderne Sicht des Verhältnisses von Magie und Wissenschaft bei
G. E. R. Lloyd, Magie, Reason and Experience, Studies in the Origin and Develop-
ment of Greek Science (1979). Zu den 'Handwerkern des Heiligen’ Burkert (1982a). -
Homer Od. 17, 383f.
2 Pap. Derveni ZPE 47, 1982, Kol. XVI 3f. - Strab. 10, 3, 23 p. 474: τό φιλότεχνον ...
τό περί τάς Διονυσιακός τέχνας και τάς Όρφικάς. - Hippokr. Morb. Sacr. 18, VI 396
Littre: βαναυσίη.
3 Ähnlich hat West (1971) 239-42 die Funktion wandernder μάγοι für iranisch-griechische
Kontakte im 6. Jh. herausgestellt.
Ostwestliche Magie und Medizin
1. Mobilität und Familienmodell
Seher und Arzt nennt Homer an erster Stelle unter den wandernden 'Hand-
werkern’, um die der Demos sich bemüht. Sie sind Spezialisten besonderer Art,
sie haben eine 'Kunst’, Techne, die kein anderer 'kann’. Seher und Arzt sind
dabei vor der hippokratischen Wende, die in der Streitschrift 'Von der Heiligen
Krankheit’ dokumentiert ist, ganz eng miteinander verbunden; Seher und Heiler
erscheinen in der Personalunion des τελεστικός και μαντικός βίος1. Das aufkläre-
rische Vorurteil gegen alle 'Charlatane’ darf nicht darüber hinwegtäuschen, wie
wichtig Formen ritueller, religiös begründeter Therapie in urtümlichen Gesell-
schaften waren. Daß damit in Einzelfällen erstaunliche Erfolge erzielt werden,
wird heute kaum bestritten, und auch Seher mit mannigfacher Techne haben
durchaus Konjunktur.
„Der das Heilige zur Techne macht“, ό τέχνημ ποιούμενος τα ιερά, dies ist die
prägnante Bezeichnung, die der Derveni-Papyrus für einen Spezialisten der priva-
ten Weihen liefert. Entsprechend nennt Strabon „die dionysischen und orphi-
schen τέχναι“, während für den hippokratischen Polemiker ein solcher 'Techniker’
vielmehr ein 'Banause’ ist2. Auch er freilich gibt an, daß wandernde Seher und
Heiler als Träger eines 'Wissens’ auftreten. In der Tat wurden und werden Cha-
rismatiker als erfolgreiche 'Spezialisten’ zu weitum gesuchten Persönlichkeiten,
die noch leichter und weiter ausgreifend Grenzen überschreiten können als die
Handwerker schlichterer Art. Als mobile Träger grenzüberschreitenden Wissens
verdienen die wandernden Charismatiker daher für die Frage nach Kulturkon-
takten besondere Aufmerksamkeit; sie stellen in früher Zeit die geistige Elite dar,
und die ist alsbald international3.
1 PI. Phdr. 248d. Moderne Sicht des Verhältnisses von Magie und Wissenschaft bei
G. E. R. Lloyd, Magie, Reason and Experience, Studies in the Origin and Develop-
ment of Greek Science (1979). Zu den 'Handwerkern des Heiligen’ Burkert (1982a). -
Homer Od. 17, 383f.
2 Pap. Derveni ZPE 47, 1982, Kol. XVI 3f. - Strab. 10, 3, 23 p. 474: τό φιλότεχνον ...
τό περί τάς Διονυσιακός τέχνας και τάς Όρφικάς. - Hippokr. Morb. Sacr. 18, VI 396
Littre: βαναυσίη.
3 Ähnlich hat West (1971) 239-42 die Funktion wandernder μάγοι für iranisch-griechische
Kontakte im 6. Jh. herausgestellt.