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Burkert, Walter; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1984, 1. Abhandlung): Die orientalisierende Epoche in der griechischen Religion und Literatur: vorgetragen am 8. Mai 1982 — Heidelberg: Winter, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.47812#0057
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Die orientalisierende Epoche

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lei Arten von Sehern und magischen Praktikern ausführlich Auskunft geben.
Schon im gewöhnlichen Handwerk übernimmt der Sohn die 'Kunst’ vom Vater,
so daß der rechte Handwerker 'Sohn des Handwerksmeisters’, mär ummäni, heißt,
und der Codex Hammurabi macht das Erlernen des Handwerks zu einer de-
facto-Adoption28. Phönikische Künstler stellen sich auf der in Italien gefundenen
'Schale Tyskiewicz’ als 'Söhne der Gießer’ vor29. Ganz entsprechend ist der rechte
Seher der 'Sohn eines Sehers’, er stellt sich in der Beschwörung als den „Wis-
senden, Sohn des Handwerksmeisters“ hin30. „Der Wissende soll es dem Wis-
senden zeigen“, ist die Formel esoterischer Tradition in den Beschwörungstexten31;
konkret aber heißt dies: „Der Weise läßt seinen Sohn ... schwören, er läßt ihn
lernen...“32. Gerade die Form des Eides, die das 'Wissen’ als Familienbesitz
sichert, ist dem babylonischen Magier und dem Hippokratiker gemeinsam. Noch
Diodor bezeugt, daß bei den 'Chaldäern’ regelmäßig 'der Sohn vom Vater’ die
geheimnisvolle Kunst übernimmt33.
Gewiß, solche Formen können polygenetisch und unabhängig voneinander Zu-
standekommen. Auch für ägyptische Priester, auch für iranische Magier ist ent-
sprechende Familienbindung überliefert34. Auf eine engere Beziehung zwischen
Semitischem und Griechischem scheint indessen eine sprachliche Eigentümlichkeit
zu weisen: gerade im Bereich von Handwerkern und von Sehern, Heilem, Ärzten
ist im Akkadischen, Phönikischen und Hebräischen einerseits, im Griechischen
andererseits die Umschreibung des Kollektivs als 'Söhne von ...’ in Gebrauch35:
Ασκληπιαδών παΐδες wie ζωγράφων παΐδες bei Platon36; später ist dann auch
φιλοσόφων παΐδες geläufig. Daß die Übereinstimmung von Semitischem und Grie-
chischem in dieser Ausdrucksweise nicht selbstverständlich ist, ermißt man daran,
daß 'die Kinder Israel’ im Deutschen immer noch als Semitismus kenntlich ist.
Gewiß, es gibt auch Λυδών παΐδες bei Herodot37 unf früher noch die υίες Αχαιών
bei Homer; aber es läßt sich auch zeigen, wie im christlich-gnostischen Bereich
der Kontakt zum Semitischen die entsprechende Ausdrucksweise noch einmal
28 Codex Hammurabi § 188; Borger (1979) 37; ANET 174f.
29 bn nsk, B. D’Agostino Stud. Etr. 45 (1977) 51-58; zur Inschrift G. Garbini, ib. 58-62.
-* I 2, 10; 62.
30 mär bare Zimmern (1901) nr. 1, 1 p. 97 f., vgl. p. 87 über die Seher als 'Zunft’; müdü
mär ummäni Schrank (1908) 16. Vgl. AT Amos 7, 14: „Ich bin nicht Prophet, ich bin
nicht Prophetensohn“.
31 müdü müdä likallim, AHw 666 2d; Ebeling (1931) p. 37; 47; 111.
32 Zimmern (1901) 118f; nr. 24, 19-22.
33 Diod. 2, 29, 4 (Quelle unsicher, kaum Poseidonios, vgl. FGrHist II C p. 157).
34 Diod. 1, 73, 5. J. Bidez, F. Cumont, Les mages hellenises II (1938) 8f; 119. Auch
Schamanismus kann vom Vater auf den Sohn übergehen: Μ. Eliade, Schamanismus
und archaische Ekstasetechnik (1957) 22; 24f.; 28f; 30-2.
35 Szemerenyi (1974) 157; Fehling (1980) 15f.
36 PI. Resp. 408b; Leg. 769b. Vgl. Anm. 28-30.
37 Hdt. 1, 27, 4.
 
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