Die orientalisierende Epoche
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hinter so lichtem Griechisch Sumerisch-Akkadisches auch nur vermuten? Es ist
ein glücklicher Zufall, daß uns in einigen Dokumenten der offizielle Kult- und
Festname erhalten ist. Das Asgelatas älter ist als Aiglatas, ist evident. Er wird
damit spätestens der archaischen Epoche zugewiesen. So führt auch die äußere
Bezeugung dicht an die orientalisierende Epoche heran, für die auch die sami-
schen 'Hundeführer’ zeugen.
Noch ein Hinweis auf ein Wort aus dem Zuständigkeitsbereich der Asklepia-
den: ein Wort für Kopfweh, Benommenheit, belegt seit den aristotelischen Proble-
mata, ist κάρος; es hat keine griechische Etymologie. Wohl aber heißt akkadisch
käru 'benommen sein’, aramäisch karah 'krank sein’13. Bei einem so simplen Wort-
stamm kann der Zufall spielen; man kann sich aber auch gut vorstellen, daß das
Wort mit den orientalisierenden Gelagesitten, der Einführung der Kline an Stelle
des Stuhls14, zu den Griechen gekommen ist. Im medizinischen Vokabular ist
dergleichen kaum ein Einzelfall; die Besonderheit ist nur, daß κάρος ungetarnt
blieb.
8. Ekstatische Mantik
Mantik ist eine besondere Kunst, die nur Spezialisten unter besonderen Um-
ständen gelingt. Freilich tritt bald mehr der äußerlich-technische, lernbare Appa-
rat, bald mehr der besondere Bewußtseinszustand in Erscheinung, der auch allein
das Feld beherrschen kann, als 'Besessenheit’, 'Rasen’, 'Wahnsinn’. Bei den Grie-
chen wird die 'rasende’ Seherin Kassandra erstmalig im 'Agamemnon’ des Aischylos
auf die Bühne gebracht; schon früher sprach Heraklit von den Prophezeiungen
der Sibylle 'mit rasendem Munde’, und Herodot setzt den 'rasenden’ Propheten
schon 480 für das Orakel am Ptoon voraus1. Dann hat Platon sich mit der man-
tischen μανία in besonderer Weise auseinandergesetzt. Er bezeugt auch eindeutig,
daß die berühmteste Seherin Griechenlands, die Pythia von Delphi, als Ekstati-
kerin weissagte2. So stellt es weit später, aber aus erster Hand auch Plutarch
in seinen Schriften über Delphi dar3. Die rationalisierenden Fabeleien über die
13 κάρος nicht bei Chantraine (1968/80). Vgl. AHw 452a, s.v. käru und karü.
14-I 2, 28.
1 Heraklit B 92; Aisch. Ag. 1072-1263 (dazu H. L. Jansen, Die Kassandragestalt in
Aischylos’ Agamemnon, Temenos 5 [1969] 107-19); Hdt. 8, 135. Vgl. Medea ζαμενής ...
άπέπνευσε, Pind. Py. 4, 10f.; Theoklymenos άφραίνει bereits Od. 20, 360 (S. Scheinberg
HSCP 83 [1979] 16).
2 Plat. Phdr. 244a; bestritten wird die Ekstase der Pythia, nach P. Amandry, La mantique
apollonienne ä Delphes (1950) von J. Fontenrose, The Delphic Oracle (1978) 204-12;
er ist geneigt der Pythia “enthusiasm but not uncontrolled and irrational frenzy” zuzu-
billigen - als ob der Bereich der Mantik nicht notwendigerweise irrational wäre. Vgl.
auch Dodds (1951) 70-4.
3 Bes. Def. or. 51, 438a-d.
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hinter so lichtem Griechisch Sumerisch-Akkadisches auch nur vermuten? Es ist
ein glücklicher Zufall, daß uns in einigen Dokumenten der offizielle Kult- und
Festname erhalten ist. Das Asgelatas älter ist als Aiglatas, ist evident. Er wird
damit spätestens der archaischen Epoche zugewiesen. So führt auch die äußere
Bezeugung dicht an die orientalisierende Epoche heran, für die auch die sami-
schen 'Hundeführer’ zeugen.
Noch ein Hinweis auf ein Wort aus dem Zuständigkeitsbereich der Asklepia-
den: ein Wort für Kopfweh, Benommenheit, belegt seit den aristotelischen Proble-
mata, ist κάρος; es hat keine griechische Etymologie. Wohl aber heißt akkadisch
käru 'benommen sein’, aramäisch karah 'krank sein’13. Bei einem so simplen Wort-
stamm kann der Zufall spielen; man kann sich aber auch gut vorstellen, daß das
Wort mit den orientalisierenden Gelagesitten, der Einführung der Kline an Stelle
des Stuhls14, zu den Griechen gekommen ist. Im medizinischen Vokabular ist
dergleichen kaum ein Einzelfall; die Besonderheit ist nur, daß κάρος ungetarnt
blieb.
8. Ekstatische Mantik
Mantik ist eine besondere Kunst, die nur Spezialisten unter besonderen Um-
ständen gelingt. Freilich tritt bald mehr der äußerlich-technische, lernbare Appa-
rat, bald mehr der besondere Bewußtseinszustand in Erscheinung, der auch allein
das Feld beherrschen kann, als 'Besessenheit’, 'Rasen’, 'Wahnsinn’. Bei den Grie-
chen wird die 'rasende’ Seherin Kassandra erstmalig im 'Agamemnon’ des Aischylos
auf die Bühne gebracht; schon früher sprach Heraklit von den Prophezeiungen
der Sibylle 'mit rasendem Munde’, und Herodot setzt den 'rasenden’ Propheten
schon 480 für das Orakel am Ptoon voraus1. Dann hat Platon sich mit der man-
tischen μανία in besonderer Weise auseinandergesetzt. Er bezeugt auch eindeutig,
daß die berühmteste Seherin Griechenlands, die Pythia von Delphi, als Ekstati-
kerin weissagte2. So stellt es weit später, aber aus erster Hand auch Plutarch
in seinen Schriften über Delphi dar3. Die rationalisierenden Fabeleien über die
13 κάρος nicht bei Chantraine (1968/80). Vgl. AHw 452a, s.v. käru und karü.
14-I 2, 28.
1 Heraklit B 92; Aisch. Ag. 1072-1263 (dazu H. L. Jansen, Die Kassandragestalt in
Aischylos’ Agamemnon, Temenos 5 [1969] 107-19); Hdt. 8, 135. Vgl. Medea ζαμενής ...
άπέπνευσε, Pind. Py. 4, 10f.; Theoklymenos άφραίνει bereits Od. 20, 360 (S. Scheinberg
HSCP 83 [1979] 16).
2 Plat. Phdr. 244a; bestritten wird die Ekstase der Pythia, nach P. Amandry, La mantique
apollonienne ä Delphes (1950) von J. Fontenrose, The Delphic Oracle (1978) 204-12;
er ist geneigt der Pythia “enthusiasm but not uncontrolled and irrational frenzy” zuzu-
billigen - als ob der Bereich der Mantik nicht notwendigerweise irrational wäre. Vgl.
auch Dodds (1951) 70-4.
3 Bes. Def. or. 51, 438a-d.