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Burkert, Walter; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1984, 1. Abhandlung): Die orientalisierende Epoche in der griechischen Religion und Literatur: vorgetragen am 8. Mai 1982 — Heidelberg: Winter, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.47812#0105
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Die orientalisierende Epoche

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Akzeptiert man den Kontakt, so lassen sich weitere lockerere Vergleiche zwischen
'Gilgames’ und Homer anschließen, etwa dem Katalog der Liebhaber Istars und
der Liebschaften des Zeus ausgerechnet beim 'Berückungsdichter’13. Doch wesent-
licher ist, gleich auch die Unterschiede bei allen Gemeinsamkeiten festzuhalten.
Istars Begegnung mit Gilgames ist fest verankert im Aufbau des Epos; sie bildet
die Klammer zwischen dem Humbaba-Thema und der nächsten Heldentat, der
Überwindung des Himmelsstiers. Eben um sich zu rächen, schickt Istar, die mäch-
tige Göttin, den Himmelsstier und gibt so Gilgames und Enkidu Anlaß, mit
dem Stiersieg das Stieropfer zu stiften; ritueller Hintergrund und rituelle Einzel-
heiten sind deutlich; daß Gilgames Istar abweist, entspricht dem Jäger-Tabu: eben
die sexuelle Enthaltsamkeit macht die erfolgreiche Jagd möglich, bringt den Stier
herbei14. Auch von den Verwandlungen, von denen der Liebhaber-Katalog be-
richtet, hat mindestens eine deutlich kulturstiftende Funktion15. Bei Homer ist
daraus eine in der Erzählkette funktionslose, aber um so liebevoller ausgemalte
Genreszene geworden. Sie hat ihren Reiz und ihre ästhetische Funktion im Rah-
men der gesamten Dichtung, aber weder in der Handlung noch in Bezug auf
einen kultischen Hintergrund ein der akkadischen Dichtung vergleichbares Schwer-
gewicht. Die Art, wie akkadische Dämonen sich in mythische Popanze verwan-
deln, Lamastu zu Gorgo wird16, hat auch auf der Ebene der Götterdichtung ihr
Gegenstück.
3. Die übervölkerte Erde
Die Grundkonzeption des altbabylonischen Atrahasis-Epos ist fast beunruhigend
modern: die Menschen nehmen überhand, die Erde gerät in Bedrängnis, nur eine
Katastrophe des Menschengeschlechtes, scheint es, kann die Lösung sein; doch
die Menschen überleben, und so ist schließlich das einzige Mittel, das gefunden
wird, 'Geburtenkontrolle’; freilich scheint nur eine Methode zuhanden, die Institu-
tion von Priesterinnen, die keine Kinder haben dürfen1.
In Versen, die formelhaft je zu Beginn eines neuen Aktes wiederkehren, wird die
Bedrängnis der Erde geschildert: „Zwölfhundert Jahre waren noch nicht vergan-
13 Gilgames 6, 42-78; II. 14, 315-28; vgl. auch Kalypsos Katalog der Göttinnen, die sterb-
liche Männer liebten, Od. 5, 118-28.
14 Vgl. Burkert (1972a) 72f.
15 Istar schafft auf diese Weise das gebändigte Pferd, VI 53-7.
16 -* II 9.
1 Atrahasis III vii 1-9, p. 102f. aladam pursi Z. 9 bringt den wörtlichen Begriff der 'Ge-
burtenkontrolle’. Vgl. A. D. Kilmer, The Mesopotamian Concept of Overpopulation and
Its Solution as Reflected in the Mythology, Orientalia 41 (1972) 160-77; allgemein, noch
ohne Kenntnis von Atrahasis, H. Schwarzbaum, The overcrowded earth, Numen 4 (1957)
59-74.
 
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