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Burkert, Walter; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1984, 1. Abhandlung): Die orientalisierende Epoche in der griechischen Religion und Literatur: vorgetragen am 8. Mai 1982 — Heidelberg: Winter, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.47812#0112
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Walter Burkert

Das Gedicht des Kabti-Ilani-Marduk beginnt damit, daß die 'Sieben’, Sebettu,
die Söhne von Himmel und Erde, die 'Krieger ohne gleichen’ - dies ihr formel-
haftes Beiwort - den Gott Erra, Gott des Krieges und der Pest, auffordem die
Menschheit zu zerstören. Marduk, der höchste Gott in Babylon, verläßt seinen
Thron und überläßt die Welt dem Untergang. Babylon, Uruk und andere Städte
werden verwüstet. Auch Fremdvölker fallen ein, werden aber ihrerseits von den
Sieben angegriffen. Schließlich Klage allenthalben, 'Erra hat getötet’. Doch dann
fühlt der Gott, der seine Macht so unwiderstehlich erwiesen hat, sich beruhigt,
und noch ehe die Menschheit ganz zerstört ist, zieht er sich mitsamt seinen
'Sieben’ zurück. Es bleibt ein Segensspruch für Akkad und der Preis des ge-
waltigen Gottes.
Es sei nicht behauptet, daß dieser Text nun einfach die von Howald vermutete
Urfassung und 'Quelle’ darstelle. Doch merkwürdige Parallelen bestehen: die sieben
'Krieger ohne gleichen’, deren Zahl viel bezeichnender ist als etwaige Namen, ein
unentrinnbarer Gott an ihrer Spitze, Angriff und höchste Gefahr, und doch
schließlich der Rückzug, der Rettung für die Bedrohten bedeutet. Eine bezeich-
nende Differenz des Griechischen gegenüber 'Babylon’ ist, daß sich hier auf die
eine Stadt Theben konzentriert, was dort in einen weltweiten Rahmen gesetzt
ist; und während dort Pest und Kriegsnot Zusammengehen, wird im Griechischen
nur heroisches Kampfgeschehen vorgestellt und ausgemalt.
Dabei ist 'Erra’ insofern noch ein Epos besonderer Art, als der literarische,
individuell gestaltete Text alsbald magische Funktionen annahm: er schien ge-
eignet, als mythisches Exempel eben den Pestgott zur Umkehr zu veranlassen,
und damit eine Beschwörung zu ersetzen. Darum wurde der Text, oder Teile
davon, auf Amulette geschrieben, die vor Krankheit schützen sollen12.
Denn die bösen 'Sieben’ kommen auch sonst in einer ganzen Reihe von akka-
dischen Beschwörungen aus verschiedenen Sammlungen vor13. Gelegentlich
werden sie differenzierend aufgezählt, mit verschiedenen Dämonennamen: 'asakku,
namtaru, utukku, alü, etemmu, gallü, ilu limnu (böser Gott)’14, oder auch 'Süd-
wind, Großdrache, Panther, Schlange, Schlammgetier, Wirbel, böser Wind’15.
Was feststeht, ist ihre Zahl, die fast zwangshaft wiederholt wird: „Sieben sind sie,
sieben sind sie“; sie wohnen in den Klüften der Erde, sie steigen aus der Erde
auf16; sie 'töten’, sie bringen Krankheiten aller Art; sie sind es auch, die die

12 Reiner (1960b) vgl. (1978) 167; zu Tarsos -* 1 1, 8; II 2, 7; Cagni (1969) 45.
13 Vgl. allgemein Jastrow I (1905) 173£; Meissner II (1925) 203; D. O. Edzard in H. W. Haus-
sig (ed.), Wörterbuch der Mythologie I (1965) 124f.; Gössmann (1956) 70-2.
14 Serie 'Asakki marsütf, Thompson II (1904) 28f. Zu etemmu vgl. II 5, 2 zu gallü II 9, 6.
15 Serie 'Utukki lemnütf XVI, Thompson I (1903) 88-103; hier greifen sie den Mondgott
an, d.h. verursachen die Mondfinsternis. Vgl. Tafel V der gleichen Serie, Thompson
I 50£; 74f.
16 Thompson I (1903) 184-201, vgl. Meissner II (1925) 199f.
 
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