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Burkert, Walter; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1984, 1. Abhandlung): Die orientalisierende Epoche in der griechischen Religion und Literatur: vorgetragen am 8. Mai 1982 — Heidelberg: Winter, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.47812#0113
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Die orientalisierende Epoche

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Mondfinsternis veranstalten. Zum Glück hat der Beschwörungspriester Gegen-
mittel und gute, starke Hilfsgeister.
Unter den Texten, in denen die 'Sieben’ ihre Rolle spielen, ist auch eine
Beschwörung aus der Serie Bit meseri, 'das von Schutzgeistern umschlossene
Haus’17. Auch hier geht es um Krankenheilung. Die bösen Kuankheitsmächte sind
durch die 'Sieben’ repräsentiert, die 'Sieben mit furchtbaren Flügeln’; sie werden
vom Beschwörungspriester in efftgie dargestellt, vielleicht an die Wand gezeich-
net. „Das Bild des Nergal stellte ich ihnen zu Häupten“: Nergal ist der Gott der
Unterwelt und der Pest; er kommt in seinen Funktionen Erra sehr nahe. Dann
aber werden eigenartige Figuren von 'Zwillingen’ genannt: zwei Bilder 'zusammen-
gefügter Zwillinge’ zu Häupten des Kranken rechts und links, 'Zwillinge, die sich
bekämpfen, aus Gips’ inmitten des Tores, entsprechende Zwillinge aus Asphalt an
den Pfosten des Tores rechts und links. Dazu kommen als Wächter die Götter
Ea und Marduk inmitten des Tores rechts und links. Der Gebrauch von ad hoc
hergestellten Figuren, die dann wieder beseitigt werden, ist auch sonst bei Be-
schwörungen geläufig18; die 'Zwillinge’ aber treten so nur in diesem Text auf.
Es folgt eine Beschwörung an die 'Sieben, vor denen das Bild Nergals steht’;
dann aber wendet sich der Beschwörer an andere 'sieben Götter’, die 'Waffen
tragen’, und fordert sie auf, 'Feinde’ und böse Mächte zu vernichten, Leben zu
schenken.
Sieben 'furchtbare’ Wesen also sind zugegen, an deren Spitze der Pest- und
Totengott steht; sieben göttliche Streiter sollen das Böse niederwerfen; und dazu
stehen 'Zwillinge, die sich bekämpfen’19, im Tor. Die Situation entspricht damit
in verblüffender Weise der der 'Sieben gegen Theben’, wie wir sie von Aischylos
kennen: sieben furchtbare Angreifer, an ihrer Spitze der 'Unentrinnbare’, sieben
bewaffnete Helden, die ihnen entgegengestellt werden; und der entscheidende
Kampf der Brüder, die sich im Tor bekämpfen und gegenseitig töten werden.
Dazu kommt eine merkwürdige ikonographische Brücke von Ost nach West:
Unter den Orthostatenreliefs vom Palast von Teil Halaf, neben Karkemis und
Zincirli ein Hauptbeispiel späthethitischer Monumentalkunst, erscheinen neben an-
deren kämpferischen Figuren wie Löwen und Greifen auch zwei fast völlig
gleich gebildete Männer, 'Zwillinge’, die sich gegenseitig am Schopf gefaßt haben
und sich zugleich mit dem Schwert erstechen. Die ikonographische Parallele zu
den Darstellungen von Eteokles und Polyneikes im wechselseitigen Brudermord,
17 Meier (1941/4); zuvor Zimmern (1901) 168f. nr. 54; vgl. Castellino (1977) 716-25. -
'Siebengottheit’ (^sebetti) und 'sieben Waffenträger’ erscheinen nacheinander auch in dem
Text zur Herstellung magischer Bilder KAR 298, Rittig (1977) 154f.; 164f.
18 Vgl. C. L. Woolley JRAS (1926) 689-713; R. Borger Bibi. Or. 30 (1973) 176-83; Hl
4, 31; II 5, 28; 34; III 1, 29.
19 W. v. Soden weist (brieflich) daraufhin, daß die Verbalform mundahse (zu mahäsu H4,
34) nicht nur 'die sich schlagen’ (Meier [1941/2] 151), sondern auch 'gemeinsam aktiv
bekämpfend’ heißen kann.
 
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