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Jüngel, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1985, 1. Abhandlung): Glauben und Verstehen: zum Theologiebegriff Rudolf Bultmanns; vorgetragen am 20. Okt. 1984 — Heidelberg: Winter, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.47815#0021
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Glauben und Verstehen

11

Diese zu entfalten, ist die Aufgabe der „systematischen Theologie“.
Bultmann hat sich dieser Aufgabe vor allem in den unter dem Titel
Glauben und Verstehen veröffentlichten Aufsätzen unterzogen. Er hat
aber als akademischer Lehrer auch eine ausgesprochen systematische
Vorlesung gehalten. Für das Sommersemester 1926 hatte er ein zwei-
stündiges Kolleg unter dem Titel „Einführung in das Theologische Stu-
dium“ angekündigt, und in den Jahren 1928,1930,1933 und 1936 hat
er ebenfalls jeweils im Sommersemester diese Vorlesung unter dem
Titel „Theologische Enzyklopädie“ erneut angeboten. Im Nachlaß
Bultmann befindet sich das mehrfach überarbeitete Manuskript dieser
Vorlesung13 14. Es sollte offensichtlich, wie ein 1929 mit dem Verlag
J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) abgeschlossener Vertrag belegt, als
Grundlage für ein Buch dienen, mit dem die von Bultmann herausge-
gebene Reihe Neue theologische Grundrisse eröffnet werden sollte.
Doch obwohl Bultmann 1930 an Heidegger schreibt, er glaube in seiner Enzy-
klopädie „wieder ein Stück weitergekommen zu sein ist die Veröffentli-
chung unterblieben. Dem Verleger O. Siebeck hatte er 1936 mündlich erklärt,
daß er die Publikation so lange „zurückstellen“ wolle, „bis die theologische Lage
noch etwas mehr geklärt ist“15.
1936 war die theologische Lage in Deutschland in der Tat alles andere als
geklärt. Zwei Jahre zuvor hatte sich die Bekennende Kirche auf einer Synode in
Barmen mit einer weitgehend von Karl Barth, Bultmanns bisherigem theologi-
schem Weggenossen, verfaßten Theologischen Erklärung gegen die Gleichschal-
tung von Theologie und Kirche mit der nationalsozialistischen Volks- und
Führertumsideologie zur Wehr gesetzt. Bultmann gehörte von Anfang an zur
Bekennenden Kirche. Zu Beginn des Sommersemesters 1933 hatte er seine Vor-
lesung mit einer für jeden, der Ohren hatte zu hören, unmißverständlich kriti-
schen „Besinnung auf das grundsätzliche Verhältnis des Glaubens zu Volk und
Staat, auf das grundsätzliche Verhältnis zwischen glaubendem und politischem
Leben“ eröffnet16. Zugleich „bewährte er sich als Freund jüdischer Kollegen

13 Im folgenden zitiert: R. Bultmann, Theologische Enzyklopädie, hg. von E. Jüngel und
K. W. Müller, 1984.
14 R. Bultmann, Brief an M. Heidegger vom 24. August 1930, zitiert in: ders., Theolo-
gische Enzyklopädie, IX, Anm. 21.
15 So resümiert O. Siebeck in einem Brief an Bultmann vom 18. Februar 1936 seine Ein-
drücke von entsprechenden Gesprächen mit Bultmann in Marburg. Zitiert in:
R. Bultmann, Theologische Enzyklopädie, IX, Anm. 22.
16 R. Bultmann, Die Aufgabe der Theologie in der gegenwärtigen Situation, ThBl 12,
1933, 161-166, 161. Dem entsprechen kritische Bemerkungen innerhalb der im
Sommersemester 1933 gehaltenen Enzyklopädie-Vorlesung. Vgl.: ders., Theolo-
gische Enzyklopädie, 7f., 40f., 64.
 
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