Metadaten

Jüngel, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1985, 1. Abhandlung): Glauben und Verstehen: zum Theologiebegriff Rudolf Bultmanns; vorgetragen am 20. Okt. 1984 — Heidelberg: Winter, 1985

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.47815#0022
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
12

Eberhard Jüngel

und war gerade dadurch politisch, daß er sich für eine entpolitisierte Forschung
und Lehre einsetzte“1'. Der Bultmann theologisch besonders nahestehende
Friedrich Gogarten hatte sich anders entschieden. Martin Heidegger, der
Freund, hatte seine Bultmann befremdende Rektoratsrede gehalten. Karl Barth
wiederum meinte sich darüber wundem zu müssen, daß Bultmann genau das
zu tun sich geweigert hatte, „was Heidegger nun doch mit Pauken und
Trompeten getan hat und ebenso Gogarten, den ich für den von Ihnen ge-
schätzten Normaltheologen halten mußte“17 18. Die in der Enzyklopädievorlesung
reichlich auftauchenden zustimmenden Bezugnahmen auf die Theologie
Barths und Gogartens sowie die unverkennbare Nähe zur Philosophie
Heideggers mußten 1936 in der Tat eher verwirrend als klärend wirken.
Bultmanns Wunsch, das Manuskript, das ohnehin noch nicht in druckreifem
Zustand war, vorerst zurückzuhalten, war verständlich.
Nach 1945 ist dann eine Drucklegung wohl auch deshalb unterblieben, weil
Bultmann durch die Entmythologisierungsdebatte systematisch überaus be-
ansprucht war. Nicht wenige Gedankengänge der Vorlesung waren zudem in
einer Reihe von Aufsätzen bereits allgemein bekannt gemacht worden.
Gleichwohl hat er in seinen letzten Lebensjahren die Veröffentlichung des
Manuskripts, zu dessen Überarbeitung für eine Drucklegung er sich selbst nicht
mehr in der Lage sah, gewünscht. Erich Dinkler hatte erste Vorbereitungen
für eine Publikation getroffen. Sein Tod hinderte ihn, den Wunsch seines Leh-
rers zu erfüllen.

17 So der Präsident der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Viktor Pöschl, in
seinem Nachruf auf der Jahresfeier am 14. Mai 1977 (Bericht des Präsidenten über
das Geschäftsjahr 1976, aaO. 42). Vgl. auch: R. Bultmann, Gedanken über die gegen-
wärtige theologische Situation. 1958, in: Glauben und Verstehen. Gesammelte Auf-
sätze, Bd. 3,31965, 190-196,195f.: „Die ... aktuelle Versuchung, gegen die die Theo-
logie zu kämpfen hat, ist ihre Politisierung ... Die Theologie hat streng darüber zu
wachen, daß keine Vermischung des christlichen Glaubens mit einem politischen
Programm eintritt... Natürlich soll der Christ auch im praktischen Leben und somit
auch in der Politik als Christ handeln. Aber das kann doch nichts anderes heißen, als
daß er sich auch für das politische Leben verantwortlich weiß und in solcher Verant-
wortlichkeit handelt... Diese Verantwortung haben Theologie und Kirche deutlich
zu machen ...“
18 Karl Barth-Rudolf Bultmann, Briefwechsel, aaO., Briefvom 10. Juli 1934,153. Barth
begründet seine falsche Erwartung, auch Bultmann bei den „Deutschen Christen“
auftauchen zu sehen, mit Bultmanns Interesse an „einer natürlichen Theologie od.
dgl.“ Er schreibt: „Es ist nun einfach durch die Tatsachen bewiesen, daß ich mich in
diesem Fall verrechnet hatte und daß also auch in meinem grundsätzlichen Beden-
ken etwas nicht gestimmt haben kann. Sie müssen mir aber nicht nur das Allgemeine
zugeben, daß es in diesem tollen Jahr am Platze war, zunächst einmal Allen Alles
zuzutrauen - sondern auch das Besondere, daß Sie es mir nicht leicht gemacht
haben, zum vornherein darüber klar zu sein, daß Sie nicht tun würden, was Heideg-
ger nun doch mit Pauken und Trompeten getan hat und ebenso Gogarten, den ich für
den von Ihnen geschätzten Normaltheologen halten mußte. Nach meiner Beobach-
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften