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Jüngel, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1985, 1. Abhandlung): Glauben und Verstehen: zum Theologiebegriff Rudolf Bultmanns; vorgetragen am 20. Okt. 1984 — Heidelberg: Winter, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.47815#0038
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Eberhard Jüngel

(1923-1928) geprägt hat. Für das Verständnis der Aussagen ist es nicht
wichtig, welche Gedanken welcher der beiden Denker zuerst gedacht
hat. Wichtig ist, daß man Heideggers Ausführungen als authentischen
Kommentar zu Bultmanns Darlegungen lesen kann. Zugleich werden
in der Sache der Philosophie einerseits und in der Sache der Theologie
andererseits begründete Differenzen klar erkennbar.
Heidegger weiß die Theologie von der Philosophie dadurch „absolut
verschieden“, daß die Theologie „eine positive Wissenschaft“ ist78. Er
nennt als Charakteristikum der positiven - oder ontischen - Wissen-
schaften, daß sie „Wissenschaften von einem vorliegenden Seienden,
einem Positum“ und als solche „eine Fortführung der schon existieren-
den vorwissenschaftlichen Einstellung zu diesem Seienden“ mit
anderen Mitteln sind. Die Philosophie ist hingegen Wissenschaft vom
niemals als Seiendes vorliegenden Sein und „bedarf [deshalb] grund-
sätzlich einer Umstellung des auf das Seiende gerichteten Blickes“79.
Indessen kann diese Seite der Heideggerschen Erörterungen jetzt ver-
nachlässigt werden, da es für diesmal nur auf die Charakterisierung
der Theologie ankommt. Aufmerksamkeit verdient jedoch, daß Hei-
degger seiner Bemerkung, unter Theologie sei die christliche zu verste-
hen, sofort die Einschränkung hinzufügt, damit sei „nicht gesagt ...,
daß es nur diese gäbe“80 81. Die Hinzufügung macht die absolute Ver-
schiedenheit von christlicher Theologie und Philosophie deutlich.
Denn als „ontologische Wissenschaft“, wie Heidegger 1927 noch sagen
konnte, muß die Philosophie zumindest mit der Möglichkeit auch
anderer positiver Wissenschaften vom Göttlichen rechnen. Nicht so
die christliche Theologie. Bultmann erklärt mit der für ihn kennzeich-
nenden und nicht nur von Karl Jaspers als irritierend empfundenen
(von Heidegger aber offensichtlich als theologisch sachgemäß akzep-
tierten) Entschiedenheit: „... Theologie ... gibt es nur als christliche
Theologie'*'. Die Begründung dieser Behauptung wird noch zu erör-
tern sein. Zunächst gilt es, der Bestimmung der Theologie als positiver
Wissenschaft weiter nachzudenken.
Bultmann stimmt mit Heidegger - oder dieser mit ihm - darin
überein, daß das der christlichen Theologie Vorliegende (Positum), das
diese zur positiven Wissenschaft macht, nicht „das Christentum als ein
78 M. Heidegger, Phänomenologie und Theologie, in: Wegmarken, Gesamtausgabe 9,
1976, 45-78, 49.
79 AaO. 48.
80 AaO. 49.
81 R. Bultmann, Theologische Enzyklopädie, 159.
 
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