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Jüngel, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1985, 1. Abhandlung): Glauben und Verstehen: zum Theologiebegriff Rudolf Bultmanns; vorgetragen am 20. Okt. 1984 — Heidelberg: Winter, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.47815#0041
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Glauben und Verstehen

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IV. Glauben und Verstehen im Neuen Testament

1. Der neutestamentliche Ursprung der christlichen Theologie
Bultmann hat den „Ursprung der christlichen Theologie“ bereits im
Neuen Testament selber ausgemacht, nämlich in der Notwendigkeit,
„das in den kerygmatischen Formeln der Paradosis beschriebene Heils-
geschehen“ und ebenso „das von der Kirche übernommene AT, das...
der Interpretation bedurfte“, angemessen zu verstehen. „Die Formeln
der Paradosis bedurften der Interpretation; ihre Begriffe und Sätze
waren nicht nur verschieden deutbar, sondern führten notwendig zum
Weiterdenken, zu Fragen: welche ... Konsequenzen sind notwendig,
welche sind legitim? Darin liegt der Ursprung der christlichen Theolo-
gie“87. Der Marburger Theologe fugt dieser Feststellung über die in den
neutestamentlichen Texten selber sich vollziehende „Entwicklung
einer christlichen Theologie“88 allerdings sofort ein Kriterium rechter
Theologie hinzu, das erneut den Systematiker im Exegeten erkennen
läßt - wenn auch nur in der Weise, daß die Exegese selber zu einem sol-
chen systematischen Kriterium geführt hat. Er schreibt: „Die entschei-
dende Frage für die Entwicklung der Theologie ist die, wieweit sie sich
daran hält, Entfaltung der im Glauben enthaltenen Erkenntnis zu sein,
und das bedeutet, wie weit sie die Explikation des Kerygmas und der
durch dieses bestimmten christlichen Existenz ist. Sie hat sich von
ihrem Ursprung gelöst und wird zur bloßen Spekulation oder rationa-
len Konstruktion, wenn sie den Zusammenhang zwischen der
Erkenntnis Gottes und seines Handelns und der Erkenntnis der
dadurch bestimmten Situation des Christen nicht mehr richtig sieht“89.
Der Kundige erkennt unschwer die Einwände wieder, die Bultmann
gegen das Theologieverständnis der altprotestantischen Orthodoxie
und der Scholastik - ob zu Recht, sei jetzt dahingestellt - erhoben hat.
Um so wichtiger ist es, nach den exegetischen Grundlagen für dieses
systematische Kriterium rechter Theologie und das heißt: nach dem
neutestamentlichen Verständnis von Glauben zu fragen.
87 R. Bultmann, Theologie des Neuen Testaments, hg. von O. Merk, 81980, 48If.
88 AaO. 482.
89 Ebd.
 
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