Glauben und Verstehen
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Gott wie weltlich Seiendes zum Objekt dieses Subjektes gemacht wird.
„Daß die Wissenschaft... Gott... nicht zum Objekt des Forschens und
Erkennens machen kann, bedeutet einfach, daß Gott nicht zum Objekt
unseres Verhaltens gemacht werden kann. Sowenig wie wir direkt auf
Gott handeln können, ihn zum Objekt unseres Tuns machen können,
so wenig zum Objekt unseres Denkens. Er ... steht nicht zur
Verfügung“133. Statt von der Unerkennbarkeit Gottes wäre also sachge-
mäß von seiner Unverfügbarkeit zu reden. Als unverfügbarer ist Gott
jedoch durchaus zu erkennen, wenn Gott selbst Subjekt auch des
menschlichen Erkenntnisaktes bleibt - ein Vorgang, den Bultmann134 135
gern mit Paulus (Gal 4,9; IKor 8,2f.; 13,12) als yvwaüfjvai be-
schreibt133.
Eine weitere Abgrenzung vollzieht Bultmann gegenüber der mysti-
schen Theologie, wobei er unter dem Titel Mystik recht unterschied-
liche Überlieferungen subsumiert. Dabei wird die Einsicht, daß Gott
unverfügbar ist, zunächst als die eigentliche theologische Leistung der
Mystik gewürdigt. „Denn dies ist in der Tat die entscheidende Erkennt-
nis der Mystik, daß Gott das ganz Andere ist, das Jenseits der Welt und
Jenseits des Menschen, das enexciva, das zugleich vernichtend und
erfüllend die Einheit alles Seins ist“136. Zudem scheinen wichtige
Grundgedanken der Theologie Bultmanns - wie z.B. der der Entweltli-
chung - in Gedanken der Mystiker - wie z.B. in dem Gedanken der
Entwerdung - präfiguriert zu sein. Er anerkennt ausdrücklich, daß die
„Mystik ... sich ... streng von jeder Religion als einem vorfindlichen
zuständlichen Verhalten oder Sichbefinden des Menschen“ unter-
scheidet137 138.
Dennoch verfehlt auch die Mystik nach Bultmanns - übrigens weit-
gehend an Friedrich Gogartens Aufsatz Mystik und Offenbarung13^
orientierten - Urteil den Gegenstand der Theologie: „... die Erkenntnis
133 AaO. 55.
134 AaO. 75. 82. 116.
135 Merkwürdigerweise will Bultmann aber in nicht wenigen Ausführungen dieses
yvcouüfivai so verstanden wissen, daß es ein yivwoxeiv ausschließt: Offenbarung „ist
kein yivwoxeiv, sondern ein yvcooüfjvai“. - AaO. 75. Vgl. aaO. 82: „... so ist in ihr
Gott immer Subjekt, aus dem yvwaüfivai wird nie ein yivdxjxEiv“. Das widerspricht
durchaus dem neutestamentlichen Sprachgebrauch.
136 AaO. 115.
137 AaO. 117. Insofern die Mystik zum Zwecke der Entwerdung des Menschen eine
Methode entwickelt, „wird“ sie freilich „wieder zur Religion“. - AaO. 123.
138 F. Gogarten, Mystik und Offenbarung, in: ders., Die religiöse Entscheidung, 1921,
54-74.
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Gott wie weltlich Seiendes zum Objekt dieses Subjektes gemacht wird.
„Daß die Wissenschaft... Gott... nicht zum Objekt des Forschens und
Erkennens machen kann, bedeutet einfach, daß Gott nicht zum Objekt
unseres Verhaltens gemacht werden kann. Sowenig wie wir direkt auf
Gott handeln können, ihn zum Objekt unseres Tuns machen können,
so wenig zum Objekt unseres Denkens. Er ... steht nicht zur
Verfügung“133. Statt von der Unerkennbarkeit Gottes wäre also sachge-
mäß von seiner Unverfügbarkeit zu reden. Als unverfügbarer ist Gott
jedoch durchaus zu erkennen, wenn Gott selbst Subjekt auch des
menschlichen Erkenntnisaktes bleibt - ein Vorgang, den Bultmann134 135
gern mit Paulus (Gal 4,9; IKor 8,2f.; 13,12) als yvwaüfjvai be-
schreibt133.
Eine weitere Abgrenzung vollzieht Bultmann gegenüber der mysti-
schen Theologie, wobei er unter dem Titel Mystik recht unterschied-
liche Überlieferungen subsumiert. Dabei wird die Einsicht, daß Gott
unverfügbar ist, zunächst als die eigentliche theologische Leistung der
Mystik gewürdigt. „Denn dies ist in der Tat die entscheidende Erkennt-
nis der Mystik, daß Gott das ganz Andere ist, das Jenseits der Welt und
Jenseits des Menschen, das enexciva, das zugleich vernichtend und
erfüllend die Einheit alles Seins ist“136. Zudem scheinen wichtige
Grundgedanken der Theologie Bultmanns - wie z.B. der der Entweltli-
chung - in Gedanken der Mystiker - wie z.B. in dem Gedanken der
Entwerdung - präfiguriert zu sein. Er anerkennt ausdrücklich, daß die
„Mystik ... sich ... streng von jeder Religion als einem vorfindlichen
zuständlichen Verhalten oder Sichbefinden des Menschen“ unter-
scheidet137 138.
Dennoch verfehlt auch die Mystik nach Bultmanns - übrigens weit-
gehend an Friedrich Gogartens Aufsatz Mystik und Offenbarung13^
orientierten - Urteil den Gegenstand der Theologie: „... die Erkenntnis
133 AaO. 55.
134 AaO. 75. 82. 116.
135 Merkwürdigerweise will Bultmann aber in nicht wenigen Ausführungen dieses
yvcouüfivai so verstanden wissen, daß es ein yivwoxeiv ausschließt: Offenbarung „ist
kein yivwoxeiv, sondern ein yvcooüfjvai“. - AaO. 75. Vgl. aaO. 82: „... so ist in ihr
Gott immer Subjekt, aus dem yvwaüfivai wird nie ein yivdxjxEiv“. Das widerspricht
durchaus dem neutestamentlichen Sprachgebrauch.
136 AaO. 115.
137 AaO. 117. Insofern die Mystik zum Zwecke der Entwerdung des Menschen eine
Methode entwickelt, „wird“ sie freilich „wieder zur Religion“. - AaO. 123.
138 F. Gogarten, Mystik und Offenbarung, in: ders., Die religiöse Entscheidung, 1921,
54-74.