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Seebaß, Gottfried; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1985, 4. Abhandlung): Die Himmelsleiter des hl. Bonaventura von Lukas Cranach d. Ä.: zur Reformation e. Holzschnitts ; vorgetragen am 15. Dezember 1984 — Heidelberg: Winter, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.47818#0037
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Die Himmelsleiter des hl. Bonaventura

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Wie vertraut diese Symbole durch die Vorreden des Hieronymus zur
Vulgata39 und die vielfältigen Darstellungen jedermann waren, beweist
noch die allegorisch-spiritualistische Auslegung, die in Täuferkreisen
des 16. Jahrhunderts kursierte.40 Ihre Anordnung und die Zuordnung
zur Darstellung der Maiestas Domini entspricht einem im Mittelalter
fast kanonisch gewordenen Schema.41 Dabei schließt die Abfolge der
Symbole, die die Reihung der Evangelien nur über die Diagonalen
ergibt, an die Vision in Ez 1 (Mensch und Adler vorn und hinten,
Löwe und Stier rechts und links) an. Doch könnte sich in der Stellung
des Matthäus- und Johannessymbols an der oberen Hälfte des Kreises
auch die Meinung des Hieronymus niedergeschlagen haben, nach der
jene beiden Evangelisten im Unterschied zu Markus und Lukas aus-
drücklich als Augenzeugen gelten.42 Übrigens ist es keineswegs zufäl-
lig, daß das von den vier Wesen gehaltene Spruchband zwischen Adler
und Löwe beginnt und endet. Denn dadurch wird, mit dem Löwen
beginnend, die Reihenfolge gewahrt, wie sie in der Vision von Apk 4,7
erscheint.
Zu beiden Seiten des Medaillons gruppieren sich links Frauen-,
rechts Männergestalten in deutlich kleineren Medaillons, die jeweils
durch ein linksdrehendes bzw. auf der rechten Seite durch ein rechts-
drehendes Spruchband, das sich je um die beiden Gruppen schlingt,
gebildet werden. Die Gruppe der Männer wird von zwei Personen mit
Strahlennimbus angeführt, in denen, nach dem Typ mühelos zu identi-
fizieren43, vorn, das Schriftband haltend, Petrus und hinter ihm Paulus
zu erkennen sind, wohl als die Repräsentanten der ecclesia trium-
phans. Neben ihnen im Vordergrund sieht man den Kaiser mit gefalte-
ten Händen, dahinter den Papst, einen Kardinal, einen nur noch durch
die Mitra dargestellten Bischof sowie - durch die Tonsur gerade noch
identifizierbar - einen Mönch und einige andere als Laien kenntliche
Personen. Auch bei der Frauengruppe links sind die beiden vorderen,
betend dargestellten, von einem Strahlennimbus umgeben. Biblische
Traditionen aufgreifend könnte man an Maria, die Mutter Jesu, und
Maria Magdalena oder an Maria und Martha denken. Doch liegt es
wohl näher, die Frau mit unbedecktem Haupt als die Jungfrau Maria,
39 Vgl. dazu Schild, Abendländische Bibelvorreden, S. 42-58, bes. S. 50f mit Anm. 46.
40 Vgl. Seebaß, Hut, S. 83-87.
41 Vgl. Nilgen, Art. Evangelisten, in: LCI 1, Sp. 698f; 704f u. 709.
42 Vgl. Schild, Abendländische Bibelvorreden, S. 49f.
43 Zum Petrustyp vgl. Braunfels, Art. Petrus, in: LCI 8, Sp. 161; zum Typ des Paulus
vgl. Lechner, Art. Paulus, in: LCI 8, Sp. 130-132.
 
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