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Seebaß, Gottfried; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1985, 4. Abhandlung): Die Himmelsleiter des hl. Bonaventura von Lukas Cranach d. Ä.: zur Reformation e. Holzschnitts ; vorgetragen am 15. Dezember 1984 — Heidelberg: Winter, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.47818#0059
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Die Himmelsleiter des hl. Bonaventura 57
Luther liebte die „Merkbilder“88 und hat nachweislich das Programm
für ein solches reformatorisches Merkbild schlechthin beeinflußt, jene
Komposition Cranachs, die unter den Titeln ‘Gesetz und Evangelium’,
‘Sündenfall und Erlösung’, ‘Rechtfertigung des Sünders vor dem
Gesetz durch die Gnade Gottes und den Glauben’, ‘Sündenverhäng-
nis und Erlösung’ (Abb. 2) eine erstaunlich weite Verbreitung gefun-
den hat. Aufgebaut aus vielen verschiedenen Teilen spätmittelalter-
licher Bildtradition wurde in der Kombination von Wort und Bild ein
„umfassend biblisch-katechetisches Lehrbild“.89
Von Luther könnte daher auch der Anstoß zur reformatorischen
Neufassung der Himmelsleiter ausgegangen sein. Zwar gab es schon
seit dem frühen Mittelalter eine christologische Interpretation der
Jakobsleiter. So sah die Glossa ordinaria in den aufsteigenden Engeln
der Jakobsleiter die Seligen, die Gott dienen, in den absteigenden die,
welche den Menschen dienen. Und Nikolaus von Lyra hatte die Leiter
aus dem Jakobstraum auf die Inkarnation Christi gedeutet.90 Insofern
lag über die Erwähnung der Jakobsleiter in der zusammenfassend deu-
tenden Unterschrift zur Höllendarstellung der vorreformatorischen
Himmelsleiter auch die Möglichkeit zum Übergang auf die christolo-
gische Deutung. Dennoch dürfte die reformatorische Version, wenn
auch nicht in allen Einzelheiten, so doch im Grundansatz, auf Luther
zurückgehen. Unter den Notizen, die sich Melanchthon aus Luther-
predigten des Jahres 1520 machte, finden sich auch solche zu Gen
28,1 If. Dabei beginnt die Auslegung mit dem lapidaren Satz: „Scala
est Christus, quia Christus est via.“91 Daß die Leiter auf der Erde steht,
ist Luther Zeichen des Abstiegs Christi in die Niedrigkeit, der alle Ver-
nunft und die Klugheit des Fleisches abstößt. Erst wenn man Christus
in diesem Menschen erkennt, steigt man empor und sieht, daß er Gott
ist. Neben diesem christologischen Gedanken betont Luther aber auch
die Passivität des Menschen im Blick auf das Handeln Gottes. Jakob
88 Vgl. zu Luthers Verständnis des Bildes und seines Verhältnisses zum Wort: Stirm,
Bilderfrage, S. 69-114, bes. S. 72, 87f, 90-95 u. 117-119.
89 Vgl. dazu Starke, Luthers Beziehungen zu Kunst und Künstlern, S. 539f; Koepplin
u. Seebaß in: Martin Luther und die Reformation in Deutschland, S. 356, Nr. 474 u.
S. 398-400, Nr. 538 sowie Schuster in: Luther und die Folgen für die Kunst,
S. 210-216.
90 Vgl. Luthers Bericht in WA 43, S. 577,50-578,9.
91 Ganz ähnlich lautet es übrigens schon bei Bonaventura: „Haec scala Christus est“;
vgl. Bonaventura, Opera omnia 7: Commentarius in Evangelium S. Lucae C. XXIV,
S. 588.
 
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