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Riedl, Peter Anselm; Giovanni; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1986, 2. Abhandlung): Eine wiederentdeckte "Verkündigung Mariä" von Giovanni di Paolo: vorgetragen am 4. Mai 1985 — Heidelberg: Winter, 1986

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https://doi.org/10.11588/diglit.48145#0013
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Eine wiederentdeckte „Verkündigung Mariä1

11

Bevor von der Provenienz und der möglichen ursprünglichen
Bestimmung der Bilder die Rede ist, sei auf dem klassischen Weg der
Stilkritik versucht, erste Klärungen zu erreichen. Gattungssystema-
tisch könnte man zunächst vermuten, daß es sich um die beiden Flügel
eines Diptychons handelt, doch sprechen drei Gründe entschieden
gegen eine solche Annahme: Einmal gehen die Maße über die für
Diptychen üblichen hinaus; zweitens fehlt jede Scharnierspur; und
drittens sind die Rückseiten roh. So bietet sich die Hypothese an, daß
die Tafeln ursprünglich in einen größeren Zusammenhang integriert,
sprich: daß sie Bekrönungen eines Polyptychons waren. Damit wäre
der Blick noch nicht auf Siena gelenkt, doch läßt das allgemeine
Charakteristikum einer Verbindung unterschiedlicher Stilmerkmale -
nämlich gotisch-konservativer und gewißer zaghafter renaissancistisch-
fortgeschrittener - an das Sieneser Quattrocento denken. Morpholo-
gische und stilistische Vergleiche führen zu einem der interessantesten
und eigenwilligsten Meister dieses Kunstkreises: eben zu Giovanni di
Paolo5.
Ich möchte methodisch so verfahren, daß ich zunächst die Verkün-
digungsbilder vergleichend an Werke Giovannis annähere, sodann die
Rolle des Künstlers innerhalb des Quattrocento senese skizziere und
schließlich in einem dritten Schritt eine möglichst präzise Bestim-
mung der beiden Bilder im Hinblick auf Autorschaft, Entstehungszeit
und Funktion versuche; besondere Aufmerksamkeit soll der Bedeu-
tung des Verkündigungsthemas in der Sieneser Malerei des Trecento
und Quattrocento gelten. Vorausgeschickt sei, daß es kein Werk
Giovannis gibt, das dem hier diskutierten unmittelbar vergleichbar
wäre; wohl aber eine Reihe von Bildern, die sich in Einzelzügen ver-
gleichen lassen.
5 Die Literatur über Giovanni di Paolo ist umfangreich. Hervorgehoben seien: John
Pope-Hennessy: Giovanni di Paolo, London 1937 (Bibliographie: S. 181 ff.); Cesare
Brandi: Giovanni di Paolo, Florenz 1947 (Bibliographie: S. 125 ff.); Piero Torriti: La
Pinacoteca Nazionale di Siena. I dipinti dal XII al XVsecolo, Genua 1977, S. 302ff.;
Giulietta Chelazzi Dini, in: II gotico a Siena, Katalog der Ausstellung Siena 1982,
Florenz 1982, S. 358ff. - Allgemein informieren: John Pope-Hennessy: Quattro-
centomalerei in Siena, London 1947; Cesare Brandi: Quattrocentisti senesi,
Mailand 1949; Evelyn Sandberg-Vavalä: Sienese Studies, Florenz 1953; Enzo
Carli: La Pittura Senese, Mailand 1955 (2. Auflage: Mailand 1961); Enzo Carli:
I Pittori Senesi, Mailand 1971. - Gute Bibliographien zur Sieneser Malerei der
Epoche finden sich bei Torriti, a.a.O., S. 421 ff., und im Katalog „II gotico a Siena“,
S. 425 ff.
 
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