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Riedl, Peter Anselm; Giovanni; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1986, 2. Abhandlung): Eine wiederentdeckte "Verkündigung Mariä" von Giovanni di Paolo: vorgetragen am 4. Mai 1985 — Heidelberg: Winter, 1986

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https://doi.org/10.11588/diglit.48145#0033
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Eine wiederentdeckte „Verkündigung Mariä*

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Auf ein Beispiel der Nikolaus-Verehrung durch Franziskaner in
Montepulciano macht mich Henk van Os aufmerksam; noch jetzt
finde sich in S. Francesco ein großes, um 1550 entstandenes Bild, das
der Kirche 1583 geschenkt worden sei63. Brogi registriert 1863: „l.°
Altäre a sinistra - S. Niccolö di Bari. Figura in piedi, di grandezza natu-
rale, vestita in paramenti sacri, sta in atto di benedire, ed ha ai lati genu-
flessi un re, ed una regina. In alto vi sono due mezze figure. Tela dipinta
a olio, alta 1,91 larga 1,18. - Copia di un dipinto antico“64.
Darf man aus allen diesen Tatsachen und Mutmaßungen Schlüsse
im Hinblick auf unser Ausgangsproblem ziehen? Theoretisch wäre es
denkbar, daß das Nikolaus-Retabel, die vier erwähnten Predellen-
bilder und die Verkündigungstafeln ursprünglich eine Einheit bilde-
ten, will sagen: zusammen mit anderen, verlorenen Komponenten
einen Altaraufbau formten, der vielleicht in S. Francesco in Siena, in
S. Francesco in Montepulciano oder in einer anderen Kirche stand und
irgendwann demontiert und zerstreut wurde. Gegen die Zuordnung
der Predella sprechen allerdings ikonographische Argumente, denn
die Johannes-Szenen lassen die Darstellung des Täufers und des Evan-
gelisten auf der Haupttafel erwarten. Also müßte die Alternative lau-
ten: Es hat (in oder nahe Montepulciano?) ein Retabel gegeben, von
dem lediglich die vier Predellen- und die beiden Verkündigungsbilder
überdauert haben. Dieses Retabel, das ein um 1450 entstandenes
Werk des Giovanni di Paolo gewesen sein müßte, hätte man sich
meines Erachtens nun freilich ähnlich vorzustellen wie den sinn- und
dimensionsgemäß ergänzten Nikolaus-Altar.
Meine Kombination des Nikolaus-Retabels mit den Heidelberger
Tafeln und zu postulierenden Teilen hat durchaus hypothetischen
Charakter. Ich gebe zu, daß die Anordnung in ihrer betonten Vertikali-
tät etwas unproportioniert anmutet, aber in Anbetracht der Breiten der
Basen für die Bekrönungsbilder kommt man schwerlich zu anderen
Maß Verhältnissen, - es wäre denn, man würde für die Bekrönungs-
bilder eine wesentlich geringere Höhe (oder gar Breite!) ansetzen65.
Altargemälde „Maria Immaculata mit David und Jesaja“ (heute in der Nachfolge-
kirche S. Niccolö degli alienati); vgl. Alessandro Bagnoli, in: Katalog der Sieneser
Manetti-Ausstellung 1978, Florenz 1978, S. 123f., Nr. 58a.
63 Freundliche Mitteilung vom 18. September 1985.
64 Francesco Brogi, wie in Anm. 37 zitiert, S. 302.
65 Bedenken hinsichtlich der proportionalen Stimmigkeit meiner hypothetischen
Rekonstruktion äußert brieflich Sir John Pope-Hennessy. - Sicherlich würde der
Aufbau ein anderes Bild bieten, wenn die Bekrönungsbilder von Fialen begleitet

Abb. 20
 
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