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Dihle, Albrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1986, 3. Abhandlung): Die Entstehung der historischen Biographie: vorgetragen am 26. Apr. 1986 — Heidelberg: Winter, 1987

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https://doi.org/10.11588/diglit.48146#0012
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Albrecht Dihle

man bei Polybios anläßlich eines Exkurses zur Biographie Philopoimens, dem er
schon vor Abfassung des Geschichtswerkes eine Lebensbeschreibung gewidmet
hatte (10,21). Momigliano entnimmt diesem Text den Hinweis darauf, wie streng
man in der Antike Biographie und Historiographie voneinander geschieden habe
(8). Gentili und Cerri beziehen sich demgegenüber auf Polybios’ Erklärung, er hätte
viele weitere Details aus dem Leben Philopoimens in den Historien behandelt,
wenn nicht seine Biographie dieses Mannes schon vorläge. Sie ziehen daraus die
Folgerung, daß der Unterschied zwischen den beiden Gattungen nicht allzu sehr
betont werden dürfe und insbesondere biographische Schriftstellerei nicht nur sehr
verschiedene Formen besessen, sondern auch Eingang in die Historiographie
gefunden habe (63 ff).
Polybios erklärt zunächst (2ff), daß es angemessen sei, bei der Einführung
bedeutender Männer in die historische Darstellung ihre φύσις und ihre άγωγή zu
behandeln - Kapitel also, die gerade in einer griechischen Biographie aus moral-
philosophischem Interesse besondere Bedeutung besitzen. Dieses, so sagt Poly-
bios, sei um so mehr angebracht, als ja auch die Beschreibung von Städten und ihre
Gründungsgeschichte von den Historikern in die Darstellung eingefugt würden, die
Beschreibung der Veranlagung und Erziehung lebendiger Menschen zur „Er-
bauung“ der Leser (προς έπανόρϋωσιν των άκουόντων) bedeutungsvoller sei als die-
jenige lebloser Dinge. (Man wird hier mit den Handschriften έμψυχων lesen und
nicht Schweighaeusers Konjektur εύψυχων in den Text nehmen.) Polybios schreibt
also eine moralische Zwecksetzung speziell den Exkursen eines Geschichtswerkes
zu, und zunächst in diesem Zusammenhang rechtfertigt er die historiographische
Verwertung biographischen Materials. Das entspricht genau der έπανόρϋωσις
ήϋών, die Plutarch als Ziel biographischer Schriftstellerei bezeichnet (Aem. 1).
Die Einteilung literarischer Texte danach, ob sie Lebendiges oder Lebloses
behandeln, ist ein Specificum der rhetorischen Theorie des Enkomions (z. B.
Aphthon. 8 p. 35f Spengel). Daß man zeitweise überhaupt nur die Lobrede auf
Menschen mit dem Wort Enkomion bezeichnete, also das in Aufbau und Charakter
ähnliche Lob von Göttern, Heroen, Städten oder Ländern außer acht ließ, sagt der
um 100 n. C. wirkende Rhetor Theon (Progymn. 8 p. 109 Sp.). Das zeigt, wie sehr
die einer Biographie nahestehende Art des Enkomions innerhalb dieser Gattung
dominierte.
Dazu paßt, daß in den frühsten, von Xenophon und Isokrates verfaßten Enko-
mien ebenso wie in den ältesten Zeugnissen der rhetorischen Theorie des En-
komion bei Anaximenes und Aristoteles die moralische Akzentsetzung unüberseh-
bar ist. Personen lobt man auf Grund ihrer sittlichen Verhaltensweisen eher als
wegen ihrer naturgegebenen oder vom Glück geschenkten Vorzüge. Die Verhal-
tensweisen beschreibt man durch die Erzählung von Taten oder Handlungen (Xen.
Ages. 1,4; 6; Anax. rhet. 1441 b 2f.; Arist. rhet. 1366 b 25 und 1367 b 27ff. mit der
Einteilung der Güter wie E. E. 1219 b 6 ff; Theon progymn. 8 p. 110 Sp. u. v. a.).
 
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