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Dihle, Albrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1986, 3. Abhandlung): Die Entstehung der historischen Biographie: vorgetragen am 26. Apr. 1986 — Heidelberg: Winter, 1987

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https://doi.org/10.11588/diglit.48146#0025
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Die Entstehung der historischen Biographie

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Anknüpfung an römische Traditionen verstehen, also etwa an die besondere Bezie-
hung moralischer Wertvorstellungen zur res publica oder an die Gepflogenheit der
laudatio funebris? Der Versuch fuhrt auf dem Gebiet der Formengeschichte in
Schwierigkeiten, die man jetzt, nach der Sammlung und Analyse der Fragmente
und Nachrichten über die laudatio funebris (W. Kierdorf, Laudatio funebris,
Meisenheim 1980) besser als zuvor ab schätzen kann. Auf der anderen Seite hat die
althistorische Forschung der letzten 30 Jahre uns die Anschauungen und Stim-
mungen in den gebildeten Kreisen der kaiserzeitlichen Gesellschaft so viel besser
verstehen gelehrt, daß zum Verständnis der Gedankenwelt eines Autors dieser
Epoche der Rekurs auf allgemein Römisches oft durch zeitspezifische Einsichten
ergänzt oder ersetzt werden kann.
Frühe römische Biographien und Autobiographien oder Memoiren, von denen
wir Kenntnis haben, dienten offenbar sämtlich der politischen Auseinander-
setzung, Rechtfertigung und Invektive, unterschieden sich also in dieser Hinsicht
nicht von großen Teilen der frühen römischen Geschichtsschreibung, ob in grie-
chischer oder lateinischer Sprache. Das gilt sicherlich für die Autobiographien des
Μ. Aemilius Scaurus (cos. 115 v. C.), des P. Rutilius Rufus (cos. 105 v. C.) und des
Q. Lutatius Catulus (cos. 101 v. C.). Für die beiden erstgenannten bezeugt es Taci-
tus (Agric. 1,3) ausdrücklich. Ob das mehrbändige Werk, in dem der Rhetor L.
Voltacilius Pilutus oder Pitholaus die Taten seines Freilassers Pompeius und des
Vaters Pompeius Strabo beschrieb, Biographien oder historische Monographien
enthielt, läßt sich nach den Angaben Suetons (de rhet. 3) nicht mehr eindeutig
bestimmen. S. Treggiari (Class. Rev. N. S. 19, 1969, 264ff.) bestreitet die Möglich-
keit, daß es sich um eine Biographie gehandelt habe, und Cornelius Nepos, die
Quelle Suetons, hat es als Historiographie verstanden, denn er bezeichnet Volta-
cilius als ersten Geschichtsschreiber im Stande eines Freigelassenen. (Freilich
waren nicht alle älteren römischen Geschichtsschreiber senatorischen Standes, wie
man gelegentlich liest: Für Coelius Antipater, Vennonius und Cn. Gellius trifft es
bestimmt nicht zu, und im Fall des Cassius Hemina ist es fraglich.) Cornelius Epi-
cadus, der Freigelassene des Dictators Sulla, vollendete und edierte dessen Schrift
de rebus suis (Suet. de gramm. 12), wobei sicherlich eine Art Biographie heraus-
kam, deren politischer Charakter nicht zu bezweifeln ist. Seine eigenen Memoiren,
in lateinischer Sprache abgefaßt, widmete Sulla seinem politischen Parteigänger
Lucullus (Plut. Luc. 1), damit dieser sie bei der Niederschrift seines griechischen
Geschichtswerkes verwenden sollte (F. Leo, Herrn. 49,1914,165f.). Vergleichbare
politische Zielsetzung darf man gewiß auch für die reiche Memoirenliteratur vor-
aussetzen, die für hellenistische Herrscher und Staatsmänner (Pyrrhos, Arat von
Sikyon u. a.) bezeugt ist und die für die Memoiren römischer Staatsmänner seit der
späten Republik das Vorbild abgab. Aber im ungleich intensiveren politischen
Leben Roms gewann dieses Element eine erhöhte Bedeutung. Ciceros Cato-Enko-
mion v. J. 46 v. C. endlich bedeutete trotz aller ihm angeratenen Vorsicht eine
 
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