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Albrecht Dihle
unmittelbare Stellungnahme zum politischen Geschehen (ad Att. 12, 4,2), ebenso
wie die Gegenschrift Caesars im folgenden Jahr.
Es gibt nicht die geringste Möglichkeit, Inhalt und Aufbau dieser und ähnlicher
Werke mit irgendwelchen Beispielen griechischer biographischer Literatur zu ver-
gleichen. Nur kann aus dem, was man über Verfasser und Entstehungszeiten weiß,
mit großer Sicherheit auf die Orientierung solcher Lebens- oder Tatenbeschreibun-
gen an aktuellen politischen Zielen und demzufolge auch an politischen Wert-
vorstellungen geschlossen werden. Es muß also im Bewußtsein des römischen
Lesepublikums seit der späten Republik sich mit der Lebensbeschreibung von
Staatsmännern oder Feldherren in aller Regel die Erwartung verbunden haben,
etwas über die besonderen politischen Randbedingungen und Leistungen dieses
Lebenslaufes zu erfahren und die politisch-historischen Informationen eben nicht
nur - wie in einer griechischen Biographie - in der für die Schilderung der sittlichen
Persönlichkeit nötigen Auswahl zu erhalten.
Eben dieses bestätigt sich auf mehrfache Weise an den frühsten erhaltenen
Biographien in lateinischer Sprache, denen des Cornelius Nepos. Der Autor erklärt
in der Vorrede zur Reihe der Feldherrenviten, die in einer Auswahl aus der langen
Reihe der von ihm behandelten viri illustres erhalten blieb, daß die der griechischen
Tradition unkundigen Leser (expertes litterarum Graecarum) sich über den „pri-
vaten“ Charakter dieser Biographien wundern müßten. Die Mitteilung darüber,
quis musicam docuerit Epaminondam, entsprach nicht den Erwartungen eines
Römers, wenn er die Lebensbeschreibung eines Feldherrn in die Hand nahm.
Nepos rechtfertigt sein Vorgehen, das genau zu den Konventionen griechischer Bio-
graphie stimmt, mit dem Verweis auf die Verschiedenheit der Völkersitten, in die-
sem Fall zwischen Griechen und Römern. Nach der Theorie griechischer Bio-
graphie, die wir aus Plutarch (Alex. 1) kennen, versprechen eben die unscheinbaren
πράξεις aus dem Privatleben mehr Aufschluß über die ήθη des Helden als große
geschichtliche Leistungen.
Im übrigen sind Nepos’ Biographien für unsere Fragestellung zumeist recht
unergiebig, denn sie verraten zwar ein Interesse, die Überlieferung von den Groß-
taten bedeutender Männer auf griechischer und lateinischer Seite zu pflegen und
miteinander zu vergleichen, lassen aber keine klar bestimmten historischen oder
anthropologischen Gesichtspunkte erkennen, unter denen die überlieferten Taten
betrachtet werden. Wie in seinen chronologischen Arbeiten ging es Nepos offenbar
vornehmlich darum, in einer Zeit ständig steigenden Zustroms griechischer
Bildungsgüter in leicht faßlicher Form dem Lesepublikum ein Hintergrundwissen
zu vermitteln, das die Aufnahme und Einordnung neuer Informationen erleich-
terte. In dieser Absicht begegnete sich Nepos mit Cicero als dem Verfasser der
philosophischen Schriften, mit Atticus als Autor des Liber annalis oder Varro als
demjenigen der Imagines. Daß er bei der Abfassung der Viri illustres an die für die
griechische Biographie konstitutive Schilderung sittlicher Phänomene gedacht hat.
Albrecht Dihle
unmittelbare Stellungnahme zum politischen Geschehen (ad Att. 12, 4,2), ebenso
wie die Gegenschrift Caesars im folgenden Jahr.
Es gibt nicht die geringste Möglichkeit, Inhalt und Aufbau dieser und ähnlicher
Werke mit irgendwelchen Beispielen griechischer biographischer Literatur zu ver-
gleichen. Nur kann aus dem, was man über Verfasser und Entstehungszeiten weiß,
mit großer Sicherheit auf die Orientierung solcher Lebens- oder Tatenbeschreibun-
gen an aktuellen politischen Zielen und demzufolge auch an politischen Wert-
vorstellungen geschlossen werden. Es muß also im Bewußtsein des römischen
Lesepublikums seit der späten Republik sich mit der Lebensbeschreibung von
Staatsmännern oder Feldherren in aller Regel die Erwartung verbunden haben,
etwas über die besonderen politischen Randbedingungen und Leistungen dieses
Lebenslaufes zu erfahren und die politisch-historischen Informationen eben nicht
nur - wie in einer griechischen Biographie - in der für die Schilderung der sittlichen
Persönlichkeit nötigen Auswahl zu erhalten.
Eben dieses bestätigt sich auf mehrfache Weise an den frühsten erhaltenen
Biographien in lateinischer Sprache, denen des Cornelius Nepos. Der Autor erklärt
in der Vorrede zur Reihe der Feldherrenviten, die in einer Auswahl aus der langen
Reihe der von ihm behandelten viri illustres erhalten blieb, daß die der griechischen
Tradition unkundigen Leser (expertes litterarum Graecarum) sich über den „pri-
vaten“ Charakter dieser Biographien wundern müßten. Die Mitteilung darüber,
quis musicam docuerit Epaminondam, entsprach nicht den Erwartungen eines
Römers, wenn er die Lebensbeschreibung eines Feldherrn in die Hand nahm.
Nepos rechtfertigt sein Vorgehen, das genau zu den Konventionen griechischer Bio-
graphie stimmt, mit dem Verweis auf die Verschiedenheit der Völkersitten, in die-
sem Fall zwischen Griechen und Römern. Nach der Theorie griechischer Bio-
graphie, die wir aus Plutarch (Alex. 1) kennen, versprechen eben die unscheinbaren
πράξεις aus dem Privatleben mehr Aufschluß über die ήθη des Helden als große
geschichtliche Leistungen.
Im übrigen sind Nepos’ Biographien für unsere Fragestellung zumeist recht
unergiebig, denn sie verraten zwar ein Interesse, die Überlieferung von den Groß-
taten bedeutender Männer auf griechischer und lateinischer Seite zu pflegen und
miteinander zu vergleichen, lassen aber keine klar bestimmten historischen oder
anthropologischen Gesichtspunkte erkennen, unter denen die überlieferten Taten
betrachtet werden. Wie in seinen chronologischen Arbeiten ging es Nepos offenbar
vornehmlich darum, in einer Zeit ständig steigenden Zustroms griechischer
Bildungsgüter in leicht faßlicher Form dem Lesepublikum ein Hintergrundwissen
zu vermitteln, das die Aufnahme und Einordnung neuer Informationen erleich-
terte. In dieser Absicht begegnete sich Nepos mit Cicero als dem Verfasser der
philosophischen Schriften, mit Atticus als Autor des Liber annalis oder Varro als
demjenigen der Imagines. Daß er bei der Abfassung der Viri illustres an die für die
griechische Biographie konstitutive Schilderung sittlicher Phänomene gedacht hat.