Die Entstehung der historischen Biographie
49
hinzufügen, ihrer Physis entsprechen - zu handeln und zu reden (9, 22,10).
Mit einer μεταβολή των πραγμάτων müssen Politiker sich selbst verändern
(μετατίϋεσϋαι) und zeigen dann möglicherweise eine Verhaltensweise, die ihrer
Physis geradezu widerspricht (τήν εναντίαν τή φύσει διάϋεσιν 9,23,4). Dafür und für
den Einfluß von Freunden auf das Verhalten der Mächtigen bringt der Historiker
verschiedene Beispiele, wobei er die Bedeutung des an zweiter Stelle genannten
Faktors über den Bereich individuellen Verhaltens hinaus auf kollektive Hand-
lungsweisen ausdehnt: Die Athener waren human unter Aristeides und Perikies,
inhuman unter Kleon und Chares. Mit Hilfe beider Faktoren läßt sich Hannibal
verstehen (9, 24,1 ff.): Der Einfluß der Freunde und noch mehr die häufige Ände-
rung der Lage zwang ihn zu wiederholtem Wechsel seiner Verhaltensweise (9,
26, lf.), und besonders schwer kann man aus dem, was er in Italien tat, seine Physis
erkennen (9, 24,2).
Noch ausführlicher und verteilt über große Partien seines Geschichtswerkes
behandelt Polybios den mehrfachen Wechsel in den Verhaltensweisen Philipps V.
von Makedonien. Im 18. Buch (18,33,6) blickt er auf die Ausführungen zurück, in
denen er die wahrhaft königliche Natur des Makedonen, seine entsprechenden
Taten und Verhaltensweisen und seine allgemeine Beliebtheit sowie seinen
Wandel zum Schlechten und dessen Gründe geschildert hat, und zwar als Ein-
leitung zur nunmehr fälligen Beschreibung seines neuerlichen Wandels zum Guten
(μετάνοια), der ihn die Schicksalsschläge (έλαττώματα τής τύχης) mit Klugheit
bestehen läßt.
Die Fülle der guten Eigenschaften, die Polybios im einzelnen aufzählt (4,77),
läßt ihn zu dem Urteil kommen, daß wohl nie ein König mit besseren natürlichen
Voraussetzungen (άφορμαϊ έκ φύσεως) für die Politik (προς πραγμάτων κατάκτη-
σιν) ausgestattet (κεχορηγημένον) war. Um so schwieriger sei auszumachen, was
eigentlich aus diesem βασιλεύς ευφυής einen τύραννος άγριος gemacht habe. Für
die Untaten des Königs in seiner späteren Laufbahn, die vor allem im 5. und 7. Buch
erzählt werden und die seine moralische Kehrtwendung anzeigen (τραπείς ... έπΐ
τήν άντικειμένην προαίρεσιν τή πρόσύεν 7,11,11 cf. 11,1; 11,8), macht Polybios vor
allem den zweiten der Faktoren verantwortlich, den der Hannibal-Abschnitt
beschreibt. Unter dem Einfluß des Aratos blieb Philipp auf dem rechten Weg, wie
eine Episode in Messenien beweist (7,12). In Abwesenheit Arats und unter dem
Einfluß des Demetrios von Pharos geschehen die ersten Untaten in der Laufbahn
des Königs (5,12,5), und diese beiden waren hinsichtlich ihrer ganzen Lebenshal-
tung (ή κατά τον δλον βίον προαίρεσις) grundverschieden (5,12,6). „Philipp war ein
Frevler, wenn ihm Taurion oder Demetrios zur Seite stand, ein Muster an Mäßi-
gung und Milde (ήμερώτατος), wenn es Aratos war“ (9, 23,9). Ganz ähnlich urteilt
Polybios anläßlich einer Zusammenfassung der Untaten, die Philipp gegen Messe-
nier, Aitoler und Kreter verübte: Jedesmal war Arat abwesend, und Philipp verwan-
delte sich zwar nicht κατά τον Αρκαδικόν μΰϋον aus einem Menschen in einen Wolf
49
hinzufügen, ihrer Physis entsprechen - zu handeln und zu reden (9, 22,10).
Mit einer μεταβολή των πραγμάτων müssen Politiker sich selbst verändern
(μετατίϋεσϋαι) und zeigen dann möglicherweise eine Verhaltensweise, die ihrer
Physis geradezu widerspricht (τήν εναντίαν τή φύσει διάϋεσιν 9,23,4). Dafür und für
den Einfluß von Freunden auf das Verhalten der Mächtigen bringt der Historiker
verschiedene Beispiele, wobei er die Bedeutung des an zweiter Stelle genannten
Faktors über den Bereich individuellen Verhaltens hinaus auf kollektive Hand-
lungsweisen ausdehnt: Die Athener waren human unter Aristeides und Perikies,
inhuman unter Kleon und Chares. Mit Hilfe beider Faktoren läßt sich Hannibal
verstehen (9, 24,1 ff.): Der Einfluß der Freunde und noch mehr die häufige Ände-
rung der Lage zwang ihn zu wiederholtem Wechsel seiner Verhaltensweise (9,
26, lf.), und besonders schwer kann man aus dem, was er in Italien tat, seine Physis
erkennen (9, 24,2).
Noch ausführlicher und verteilt über große Partien seines Geschichtswerkes
behandelt Polybios den mehrfachen Wechsel in den Verhaltensweisen Philipps V.
von Makedonien. Im 18. Buch (18,33,6) blickt er auf die Ausführungen zurück, in
denen er die wahrhaft königliche Natur des Makedonen, seine entsprechenden
Taten und Verhaltensweisen und seine allgemeine Beliebtheit sowie seinen
Wandel zum Schlechten und dessen Gründe geschildert hat, und zwar als Ein-
leitung zur nunmehr fälligen Beschreibung seines neuerlichen Wandels zum Guten
(μετάνοια), der ihn die Schicksalsschläge (έλαττώματα τής τύχης) mit Klugheit
bestehen läßt.
Die Fülle der guten Eigenschaften, die Polybios im einzelnen aufzählt (4,77),
läßt ihn zu dem Urteil kommen, daß wohl nie ein König mit besseren natürlichen
Voraussetzungen (άφορμαϊ έκ φύσεως) für die Politik (προς πραγμάτων κατάκτη-
σιν) ausgestattet (κεχορηγημένον) war. Um so schwieriger sei auszumachen, was
eigentlich aus diesem βασιλεύς ευφυής einen τύραννος άγριος gemacht habe. Für
die Untaten des Königs in seiner späteren Laufbahn, die vor allem im 5. und 7. Buch
erzählt werden und die seine moralische Kehrtwendung anzeigen (τραπείς ... έπΐ
τήν άντικειμένην προαίρεσιν τή πρόσύεν 7,11,11 cf. 11,1; 11,8), macht Polybios vor
allem den zweiten der Faktoren verantwortlich, den der Hannibal-Abschnitt
beschreibt. Unter dem Einfluß des Aratos blieb Philipp auf dem rechten Weg, wie
eine Episode in Messenien beweist (7,12). In Abwesenheit Arats und unter dem
Einfluß des Demetrios von Pharos geschehen die ersten Untaten in der Laufbahn
des Königs (5,12,5), und diese beiden waren hinsichtlich ihrer ganzen Lebenshal-
tung (ή κατά τον δλον βίον προαίρεσις) grundverschieden (5,12,6). „Philipp war ein
Frevler, wenn ihm Taurion oder Demetrios zur Seite stand, ein Muster an Mäßi-
gung und Milde (ήμερώτατος), wenn es Aratos war“ (9, 23,9). Ganz ähnlich urteilt
Polybios anläßlich einer Zusammenfassung der Untaten, die Philipp gegen Messe-
nier, Aitoler und Kreter verübte: Jedesmal war Arat abwesend, und Philipp verwan-
delte sich zwar nicht κατά τον Αρκαδικόν μΰϋον aus einem Menschen in einen Wolf