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Dihle, Albrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1986, 3. Abhandlung): Die Entstehung der historischen Biographie: vorgetragen am 26. Apr. 1986 — Heidelberg: Winter, 1987

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https://doi.org/10.11588/diglit.48146#0063
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Die Entstehung der historischen Biographie

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Ideologie des Prinzipates die Reihe der Herrscher nun nicht mehr mit Augustus,
sondern mit Caesar beginnt, gehört auch in diesen Zusammenhang, wenn dabei
gewiß auch Trajans Eroberungspolitik und ihre Rechtfertigung eine Rolle spielten.
Augustus hatte die Gestalt Caesars in seiner Innenpolitik und bei der Legitimation
seiner Maßnahmen geflissentlich zurückgedrängt, um die von ihm inaugurierte
Neuordnung der Dinge von der Irregularität der Karriere und der Machtposition
seines Adoptivvaters zu distanzieren und jedem Verdacht vorzubeugen, sein Ehr-
geiz richte sich auf die Stellung eines Monarchen im östlichen Stil. Das hatte man
Caesar vorgeworfen, bei Antonius erlebt, und die griechischen Einwohner des
Reiches erwarteten es auch von Augustus in aller Selbstverständlichkeit. Doch
setzte seine Zurückhaltung in diesem Punkte Maßstäbe für die Nachfolger im Prin-
zipat. Darum war die unbefangene Berufung auf Caesar als den Archegeten des
Prinzipates in der offiziellen Propaganda etwas Neues, das Trajan wohl nur auf dem
Hintergrund der erzielten Versöhnung zwischen libertas und principatus im Zei-
chen des Adoptivkaisertums wagen konnte. Für Velleius Paterculus etwa (2, 89,2)
begann die gute Zeit erst mit Augustus. Zwar ließ man gelegentlich auch schon im
1. Jh. die Reihe der Kaiser mit Caesar anfangen (Val. Max. 3,2,19; 9,15,9), aber ver-
breitet findet sich diese Auffassung erst seit dem 2. Jh. (außer Sueton etwa Gell. 13,
14,4; Fronte p. 123 u. 226 Naber; Pausan. 3,11,4; Ampelius, lib. mem. 19; 29; 40;
Euseb. (Hieran.) chron. p. 156 Helm; Joh. Malal. chron. 8 p. 214 u. a.). Völlig durch-
gesetzt hat sie sich freilich nie (Sext. Aur. lib. de Caes. 1; Eutrop. brev. 7,1; Amm.
Marc. 29,2; 18; Zosim. 1,5). Selbst Plinius beginnt im Panegyricus auf Trajan (11)
die Aufzählung der Divinisierungen mit deijenigen des Augustus.
Den Adoptivkaisem gelang es, die Monarchie zeitweilig von dem Odium zu
befreien, das ihr einmal in den Augen des Senatorenstandes als des wichtigsten
Repräsentanten altrömischer, also republikanischer Tradition und außerdem in
denen der philosophisch Gebildeten anhaftete, die sich am Ideal einer die
Menschennatur verwirklichenden und darum alle Menschen, den Kaiser einge-
schlossen, verpflichtenden und zur Freiheit des Individuums führenden Sittlichkeit
orientierten. Die Monarchie erfuhr auf diese Weise eine weitere Stabilisierung, in
den Institutionen sowohl als auch in der Vorstellungswelt der Menschen. Der starke
moralische Akzent, der die Neuformulierung des Herrscherideals im 2. Jh. n. C.
auszeichnet, gehört in diesen Zusammenhang.
Andrew Wallace-Hadrill (148ff.) hat richtig beobachtet, daß im frühen 2. Jh.
n. C. so etwas wie die Kanonisierung von vier unter zahlreichen, in der Literatur, auf
Münzlegenden, Inschriften u. a. gepriesenen oder geforderten Herrschertugenden
(Syme 1,754 ff. sowie J. R. Fears, ANRW 17,2 [1979] 827/948) erfolgte. Diese 4 kar-
dinalen Herrschertugenden haben nichts mit den bekannten 4 allgemeinen Kar-
dinaltugenden der philosophischen Tradition zu tun, die in der Literatur π.
βασιλείας durchaus auch für das Herrscherideal in Anspruch genommen werden
(Hadot, RAC 8, 1972, 578ff.). Sie lassen sich vielmehr alle, samt den ihnen ent-
 
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