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Dihle, Albrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1986, 3. Abhandlung): Die Entstehung der historischen Biographie: vorgetragen am 26. Apr. 1986 — Heidelberg: Winter, 1987

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https://doi.org/10.11588/diglit.48146#0070
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Albrecht Dihle

bung bedauerte Sachverhalt, daß alles nur auf den Kaiser ankomme und die großen
res gestae der republikanischen Vergangenheit ausgegangen seien, ist für Herodian
zur Selbstverständlichkeit geworden. Ebenso selbstverständlich ergibt sich daraus
die biographische Akzentsetzung in der Historiographie.
Unsere Überlieferung der kaiserzeitlichen Literatur ist gewiß sehr lückenhaft
und von vielen Zufällen bestimmt. Aber auch unter dieser Voraussetzung ist es auf-
fällig, daß gerade aus der Zeit seit Hadrian besonders viele Autoren mit Namen und
Buchtitel bekannt sind, welche die Geschichte der Regierung eines einzelnen
Kaisers, seine Taten oder sein Leben beschrieben haben. Nicht immer wird deut-
lich, ob es sich um eine historische Monographie, eine Biographie oder um eine
größere Kaisergeschichte gehandelt hat, in der die Regierungszeit des vom jeweili-
gen Gewährsmann erwähnten Kaisers vorkam. Das gilt etwa für das halbe Dutzend
griechischer Historiker, die der Verfasser der Historia Augusta als Quellen benennt
(FGH 213-218). Für die biographische Orientierung der betreffenden Bücher ist
indessen dieser Unterschied kaum von Bedeutung. In anderen Fällen läßt sich nicht
mehr sagen, ob unserem Gewährsmann ein echtes Enkomion, wie es seit alters
nach den Regeln epideiktischer Redekunst abgefaßt werden konnte, oder ein enko-
miastisch gefärbtes Geschichtswerk vorlag. Das gilt z. B. für das Hadrian-Enkomion
des Aspasios von Byblos (FGH 792). Aber ganz unbezweifelbar ist die große
Anzahl der als βίος, πράξεις oder ιστορία betitelten Werke, die seit hadrianischer
Zeit einzelnen Kaisern gewidmet wurden. Autoren solcher Schriften, wie sie aus
dem 1. Jh. n . C. überhaupt nicht bezeugt sind, waren nach Plutarch u. a. Phlegon
von Tralleis und Philon von Byblos (Hadrian), Antipatros von Hierapolis (Septi-
mius Severus), Praxagoras und Bemarchios von Kaisareia (Constantin), Eustochios
(Constans) und der Arzt Oreibasios (Julian). Herodian versichert uns (1, 2,5), daß
Leben und Werk Marc Aurels von vielen guten Literaten beschrieben worden
seien, und dasselbe gelte für Septimius Severus (2, 15,5). Auf das Werk des Anti-
patros von Hierapolis bezieht sich Philostrat bezeichnenderweise mit dem Satz: ές
ιστορίαν έλαβε τον Σεβήρου του βασιλέως βίον (vit. Soph. 2, 24 — FGH 211 F 3).
Der Literaturbetrieb belebte sich seit dem 2. Jh. n. C. beträchtlich in der
Osthälfte des Reiches, parallel zu ihrer steigenden Bedeutung in Wirtschaft und
Politik. Wie dort im Rahmen seiner durch und durch klassizistischen, rückwärts
gewandten Kultur die Kriegsgeschichtsschreibung alten Stiles nach dem Vorbild
des Thukydides durch den Partherfeldzug des Verus neuen Auftrieb erhielt,
beschreibt Lukian in der Schrift Quomodo historia sit conscribenda eindringlich
und ergötzlich. Alle von ihm in diesem Zusammenhang erwähnten Autoren schei-
nen sich alten Mustern angeschlossen zu haben (FGH 203-210). Das paßt zu den
erhaltenen Werken Arrians und Appians, in denen das biographische Element ganz
zurücktritt. Appian konnte wie die von Lukian genannten Historiographen nicht
nur auf eigentlich klassische Vorbilder zurückgreifen, sondern auch an die zahl-
reichen griechischen Geschichtsschreiber des 1. Jh. v. C. anknüpfen, die über die
 
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